Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 99)
so könnte man alsdann mit denselbigen die Hühner in der Luft fangen. Auch gab ich den Vorschlag, weil es mit Eroberung der Stadt Magdeburg, die wir belägert hielten, so schläferig hergieng, man sollte ein mächtig langes Seil, so dick als ein halbfüderiges Faß verfertigen, solches um die Stadt ziehen, und alle Menschen samt dem Vieh in beiden Lägern daran spannen, und dergestalt die Stadt in einem Tag übern Haufen schleifen lassen. Solcher närrischen Dauben und Grillen ersanne ich täglich einen Überfluß, weil es meines Handwerks war, so daß man meine Werkstatt nie leer fand: So gab mir auch meines Herrn Schreiber der ein arger Gast und durchtriebener Schalk war, viel Materi an die Hand, dadurch ich auf dem Weg unterhalten wurde, den die Narren zu wandeln pflegen, denn was mich dieser Speivogel überredte, das glaubte ich nicht allein vor mich selbsten, sondern teilte es auch andern mit, wann ich etwan diskurierte und sich die Sach dahin schickte.
Als ich ihn einsmals fragte, was unser Regimentskaplan vor einer seie, weil er mit Kleidungen von andern unterscheiden? sagte er: »Es ist der Herr Dicis et non facis, das ist auf teutsch soviel geredt, als ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibt, und selbst keine nimmt: Dieser ist den Dieben spinnenfeind, weil sie nicht sagen was sie tun, er aber hingegen sagt, was er nicht tut; so können ihm hingegen die Dieb auch nicht so gar hold sein, weil sie gemeiniglich gehenkt werden, wenn sie die beste Kundschaft mit diesen Leuten haben.« Da ich nun nachgehends den guten ehrlichen Pater so nennete, wurde er ausgelacht, ich aber vor einen bösen schalkhaftigen Narrn gehalten, und seinetwegen gebaumelt. Ferners überredet er mich, man hätte die offentliche gemeine Häuser zu Prag hinder der Mauer abgebrochen und verbrennet, davon die Funken und der Staub, wie der Samen eines Unkrauts, in alle Welt zerstoben wäre. Item, es kämen von den Soldaten keine dapfere Helden und herzhafte Kerl in Himmel, sondern lauter einfältige Tropfen, Bärnhäuter und dergleichen, die sich an ihrem Sold genügen ließen; sodann keine politische Alamode-Cavalliers und galante Dames, sondern nur gedultige Job, Siemänner, langweilige Mönch, melancholische Pfaffen, Bettschwestern, arme Bettelhuren, allerhand Auswürfling, die in der Welt weder zu sieden noch zu braten taugen, und junge Kinder, welche die Bänk überall vollhofierten. Auch loge er mir vor, man nenne die Gastgeber nur darum Würt, weil sie in ihrer Handierung under allen Menschen am fleißigsten betrachteten, daß sie entweder Gott oder dem Teufel zuteil würden. Vom Kriegswesen überredte er mich, daß man auch zuzeiten mit güldenen Kuglen schieße, und je kostbarer solche wären, je größeren Schaden pflegten sie zu tun; »ja«, sagte er, »man führet wohl ehe ganze Kriegsheer mitsamt der Artollerei, Munition und Bagage, an güldenen Ketten gefangen daher!« Weiters überredet er mich von den Weibern, daß mehr als der halbe Teil Hosen trügen, ob man sie schon nicht sähe, und daß viel ihren Männern, wenn sie schon nicht zaubern könnten, noch Göttinnen wären, als Diana gewesen, größere Hörner auf die Köpf gaukelten, als Aktäon getragen; welches ich