Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 100)

ihme alles glaubte, so ein dummer Narr war ich.

Hingegen unterhielte mich mein Hofmeister, wenn er allein bei mir war, mit viel einem andern Diskurs, er brachte mich auch in seines Sohns Kundschaft, welcher wie hiebevor gemeldet worden, bei der Chursächsischen Armee ein Musterschreiber war und weit andere Qualitäten an sich hatte, als meines Obristen Schreiber; dahero mochte ihn mein Obrister nicht allein gerne leiden, sondern er war auch bedacht, ihn von seinem Kapitän loszuhandlen, und zu seinem Regimentssecretario zu machen, auf welche Stell obgemeldter sein Schreiber sich auch spitzete.

Mit diesem Musterschreiber, welcher auch, wie sein Vatter, Ulrich Herzbruder hieße, machte ich ein solche Freundschaft, daß wir ewige Brüderschaft zusammen schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in Lieb und Leid nimmermehr verlassen wollten: Und weil dieses mit Wissen seines Vattern geschahe, hielten wir den Bund desto fester und steifer. Demnach lage uns nichts härter an, als wie wir meines Narrenkleids mit Ehren los werden und einander rechtschaffen dienen möchten; welches aber der alte Herzbruder, den ich als meinen Vatter ehrete und vor Augen hatte, nicht guthieße, sondern austrücklich sagte: Wenn ich in kurzer Zeit meinen Stand änderte, daß mir solches ein schwere Gefängnus und große Leib- und Lebensgefahr gebären würde: Und weil er auch ihm selbst und seinem Sohn einen großen bevorstehenden Spott prognostizierte, und dahero Ursach zu haben vermeinte, desto vorsichtiger und behutsamer zu leben; als wollte er sich um soviel desto weniger in einer Person Sachen mischen, deren künftige große Gefahr er vor Augen sehen konnte, dann er besorgte, er möchte meines künftigen Unglücks teilhaftig werden, wenn ich mich offenbarte, weil er bereits vorlängst meine Heimlichkeit gewußt, und mich gleichsam in- und auswendig gekannt, meine Beschaffenheit aber dem Obristen nicht kundgetan hatte.

Kurz hernach merkte ich noch besser, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schröcklich neidete, weil er besorgte, er möchte vor ihme zu der Sekretariatstell erhoben werden, dann ich sahe wohl, wie er zuzeiten griesgramete, wie ihm die Mißgunst so gedrang tät, und daß er in schweren Gedanken allezeit seufzete, wenn er entweder den alten oder den jungen Herzbruder ansahe; daraus urteilte ich, und glaubte ohn allen Zweifel, daß er Kalender machte, wie er ihm ein Bein vorsetzen, und zu Fall bringen möchte. Ich kommunizierte meinem Bruder, beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit, dasjenige, was ich argwohnete, damit er sich vor diesem Judasbruder ein wenig vorsehen sollte; er aber nahm es auf die leichte Achsel, Ursach, weil er dem Schreiber sowohl mit der Feder, als mit dem Degen mehr als genug überlegen war, und dazu noch des Obristen große Gunst und Gnad hinweghatte.

Das 22. Kapitel

Ein schelmische Diebskunst, einander die Schuh auszutretten.

Weil der Gebrauch im Krieg ist, daß man gemeiniglich alte versuchte Soldaten zu Profosen macht, also hatten wir auch einen dergleichen bei unserm Regiment, und zwar einen solchen abgefeumten Erzvogel und Kernböswicht, daß man wohl von ihm sagen konnte, er seie viel mehr als vonnöten erfahren gewesen; dann er war ein rechter Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner, und von sich selbsten nicht

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