Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 96)
Blei, und aber andere mit zerschnittenen Haaren, Schwämmen, Spreu und Kohlen gefüttert; etliche hatten spitzige Eck, an andern waren solche gar hinweggeschliffen; teils waren lange Kolben, und teils sahen aus wie breite Schildkrotten. Und alle diese Gattungen waren auf nichts anders, als auf Betrug verfertigt, sie taten dasjenige, worzu sie gemacht waren, man mochte sie gleich wippen, oder sanft schleichen lassen; da half kein Knüpfens, geschweige jetzt deren, die entweder zween Fünfer, oder zween Sechser, und im Gegenteil entweder zwei Äß oder zwei Dauß hatten: Mit diesen Schelmenbeinern zwackten, laureten und stahlen sie einander ihr Geld ab, welches sie vielleicht auch geraubt, oder wenigst mit Leib- und Lebensgefahr oder sonst saurer Mühe und Arbeit erobert hatten.
Als ich nun so da stunde und den Spielplatz samt den Spielern in ihrer Torheit betrachtete, sagte mein Hofmeister, wie mir das Wesen gefalle? Ich antwortet: »Daß man so greulich Gott lästert, gefällt mir nicht, im übrigen aber lasse ichs in seinem Wert und Unwert beruhen, als eine Sach die mir unbekannt ist, und auf welche ich mich noch nichts verstehe.« Hierauf sagte mein Hofmeister ferner: »So wisse, daß dieses der allerärgste und abscheulichste Ort im ganzen Läger ist; dann hier sucht man eines andern Geld, und verlieret das seinige darüber; wann einer nur einen Fuß hieher setzt, in Meinung zu spielen, so hat er das zehende Gebot schon übertretten, welches will: ›Du solt deines Nächsten Gut nicht begehren!‹ Spielest du und gewinnest, sonderlich durch Betrug und falsche Würfel, so übertrittest du das siebend und achte Gebot: Ja es kann kommen, daß du auch zu einem Mörder an demjenigen wirst, dem du sein Geld abgewonnen hast, wenn nämlich dessen Verlust so groß ist, daß er darüber in Armut, in die äußerste Not und Desperation, oder sonst in andere abscheuliche Laster gerät, davor die Ausred nichts hilft, wenn du sagst: ›Ich hab das Meinig darangesetzt, und redlich gewonnen‹; dann du Schalk bist auf den Spielplatz gangen, der Meinung, mit eines andern Schaden reich zu werden: Verspielest du dann, so ists mit der Buß darum nicht ausgericht, daß du des Deinigen entbehren mußt, sondern du hasts, wie der reiche Mann, bei Gott schwerlich zu verantworten, daß du dasjenige so unnütz verschwendet, welches er dir zu dein und der Deinigen Lebensaufenthalt verliehen gehabt! Wer sich auf den Spielplatz begibt zu spielen, derselbe begibt sich in eine Gefahr, darinnen er nicht allein sein Geld, sondern auch sein Leib, Leben, ja, was das allerschröcklichste ist, sogar seiner Seelen Seligkeit verlieren kann. Ich sage dir dieses zur Nachricht, liebster Simplici, weil du vorgibst, das Spielen sei dir unbekannt, damit du dich all dein Leben lang davor hüten sollest.«
Ich antwortet: »Liebster Herr, wann dann das Spielen ein so schröcklich und gefährlich Ding ist, warum lassens dann die Vorgesetzte zu?« Mein Hofmeister antwortet mir: »Ich will nicht sagen darum, dieweil teils Offizier selbst mitmachen; sondern es geschicht deswegen, weil es die Soldaten nicht mehr lassen wollen, ja auch nicht lassen können; dann wer sich dem Spielen einmal ergeben, oder welchen die Gewohnheit, oder