Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 16)

Major von Tellheim?

JUST. Ja.

Das Fräulein. Wo ist Sein Herr?

JUST. Nicht hier.

DAS FRÄULEIN. Aber Er weiß ihn zu finden?

JUST. Ja.

DAS FRÄULEIN. Will Er ihn nicht geschwind herholen?

JUST. Nein.

DAS FRÄULEIN. Er erweiset mir damit einen Gefallen. –

JUST. Ei!

DAS FRÄULEIN. Und Seinem Herrn einen Dienst. –

JUST. Vielleicht auch nicht. –

DAS FRÄULEIN. Woher vermutet Er das?

JUST. Sie sind doch die fremde Herrschaft, die ihn schon diesen Morgen komplimentieren lassen?

DAS FRÄULEIN. Ja.

JUST. So bin ich schon recht.

DAS FRÄULEIN. Weiß Sein Herr meinen Namen?

JUST. Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen ebensowenig leiden als die allzu groben Wirte.

DER WIRT. Das soll wohl mit auf mich gehn?

JUST. Ja.

DER WIRT. So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein nicht entgelten, und hole Er ihn geschwind her.

Das Fräulein (leise zur Franziska). Franziska, gib ihm etwas –

Franziska (die dem Just Geld in die Hand drücken will). Wir verlangen Seine Dienste nicht umsonst. –

JUST. Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste.

FRANZISKA. Eines für das andere.

JUST. Ich kann nicht. Mein Herr hat mir befohlen, auszuräumen. Das tu ich jetzt, und daran bitte ich, mich nicht weiter zu verhindern. Wenn ich fertig bin, so will ich es ihm ja wohl sagen, daß er herkommen kann. Er ist nebenan auf dem Kaffeehause; und wenn er da nichts Bessers zu tun findet, wird er auch wohl kommen. (Will fortgehen.)

FRANZISKA. So warte Er doch. – Das gnädige Fräulein ist des Herrn Majors – Schwester. –

DAS FRÄULEIN. Ja, ja, seine Schwester.

JUST. Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwestern hat. Er hat mich in sechs Monaten zweimal an seine Familie nach Kurland geschickt. – Zwar es gibt mancherlei Schwestern – –

FRANZISKA. Unverschämter!

JUST. Muß man es nicht sein, wenn einen die Leute sollen gehn lassen? (Geht ab.)

FRANZISKA. Das ist ein Schlingel!

DER WIRT. Ich sagt' es ja. Aber lassen Sie ihn nur! Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist. Ich will ihn gleich selbst holen. – Nur, gnädiges Fräulein, bitte ich untertänigst, sodann ja mich bei dem Herrn Major zu entschuldigen, daß ich so unglücklich gewesen, wider meinen Willen einen Mann von seinen Verdiensten –

DAS FRÄULEIN. Gehen Sie nur geschwind, Herr Wirt. Das will ich alles wieder gutmachen. (Der Wirt geht ab und hierauf) Franziska, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen nicht nennen!

(Franziska, dem Wirte nach.)

Siebenter Auftritt

Das Fräulein und hierauf Franziska.

DAS FRÄULEIN. Ich habe ihn wieder! – Bin ich allein? –Ich will nicht umsonst allein sein. (Sie faltet die Hände.) Auch bin ich nicht allein! (Und blickt aufwärts.) Ein einziger dankbarer Gedanke gen Himmel ist das willkommenste Gebet! – Ich hab ihn, ich hab ihn! (Mit ausgebreiteten Armen.) Ich bin glücklich! und fröhlich! Was kann der Schöpfer lieber sehen als ein fröhliches Geschöpf! – (Franziska kömmt.) Bist du wieder da Franziska? – Er jammert dich? Mich jammert er nicht. Unglück ist auch gut. Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, um ihm in mir alles wiederzugeben!

FRANZISKA. Er kann den Augenblick hier sein. – Sie sind noch in Ihrem Negligé, gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie sich geschwind ankleideten?

DAS FRÄULEIN. Geh! ich bitte

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