Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 17)

dich. Er wird mich von nun an öftrer so als geputzt sehen.

FRANZISKA. Oh, Sie kennen sich, mein Fräulein.

Das Fräulein (nach einem kurzen Nachdenken). Wahrhaftig, Mädchen, du hast es wiederum getroffen.

FRANZISKA. Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt am schönsten.

DAS FRÄULEIN. Müssen wir denn schön sein? – Aber daß wir uns schön glauben, war vielleicht notwendig. – Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin! – Franziska, wenn alle Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so sind wir – sonderbare Dinger. – Zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und fromm – Du wirst mich nicht verstehen. Ich verstehe mich wohl selbst nicht. – Die Freude macht drehend, wirblicht. –

FRANZISKA. Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre kommen –

DAS FRÄULEIN. Mich fassen? Ich sollte ihn ruhig empfangen?

Achter Auftritt

v. Tellheim. Der Wirt. Die Vorigen.

V. TELLHEIM (tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf sie zu). Ah! meine Minna! –

Das Fräulein (ihm entgegenfliehend). Ah! mein Tellheim! –

V. TELLHEIM (stutzt auf einmal und tritt wieder zurück). Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein – das Fräulein von Barnhelm hier zu finden –

DAS FRÄULEIN. Kann Ihnen doch so gar unerwartet nicht sein? – (Indem sie ihm näher tritt und er mehr zurückweicht.) Verzeihen? Ich soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre Minna bin? Verzeih' Ihnen der Himmel, daß ich noch das Fräulein von Barnhelm bin! –

V. TELLHEIM. Gnädiges Fräulein – (Sieht starr auf den Wirt und zuckt die Schultern.)

Das Fräulein (wird den Wirt gewahr und winkt der Franziska). Mein Herr –

V. TELLHEIM. Wenn wir uns beiderseits nicht irren –

FRANZISKA. Je, Herr Wirt, wen bringen Sie uns denn da? Geschwind, kommen Sie, lassen Sie uns den Rechten suchen.

DER WIRT. Ist es nicht der Rechte? Ei ja doch!

FRANZISKA. Ei nicht doch! Geschwind, kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt.

DER WIRT. Oh! viel Ehre – (Doch ohne von der Stelle zu gehn.)

Franziska (faßt ihn an). Kommen Sie, wir wollen den Küchenzettel machen. – Lassen Sie sehen, was wir haben werden –

DER WIRT. Sie sollen haben, vors erste –

FRANZISKA. Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon weiß, was sie zu Mittag speisen soll, so ist es um ihren Appetit geschehen. Kommen Sie, das müssen Sie mir allein sagen. (Führet ihn mit Gewalt ab.)

Neunter Auftritt

v. Tellheim. Das Fräulein.

DAS FRÄULEIN. Nun? irren wir uns noch?

V. TELLHEIM. Daß es der Himmel wollte! – Aber es gibt nur eine, und Sie sind es. –

DAS FRÄULEIN. Welche Umstände! Was wir uns zu sagen haben, kann jedermann hören.

V. TELLHEIM. Sie hier? Was suchen Sie hier, gnädiges Fräulein?

DAS FRÄULEIN. Nichts suche ich mehr. (Mit offnen Armen auf ihn zugehend.) Alles, was ich suchte, habe ich gefunden.

V. TELLHEIM (zurückweichend). Sie suchten einen glücklichen, einen Ihrer Liebe würdigen Mann, und finden – einen Elenden.

DAS FRÄULEIN. So lieben Sie mich nicht mehr? – Und lieben eine andere?

V. TELLHEIM. Ah! der hat Sie nie geliebt, mein Fräulein, der eine andere nach Ihnen lieben kann.

DAS FRÄULEIN. Sie reißen nur einen Stachel aus meiner Seele. – Wenn ich Ihr Herz verloren

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