Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 30)

danke dir, Franziska.

FRANZISKA. Sie sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kampiert hätten.

V. TELLHEIM. Du kannst es erraten haben.

FRANZISKA. Wir wollen uns gleich auch putzen und sodann essen. Wir behielten Sie gern zum Essen, aber Ihre Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern; und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns nicht hungerte.

V. TELLHEIM. Ich geh! Franziska bereite sie indes ein wenig vor, damit ich weder in ihren noch in meinen Augen verächtlich werden darf. – Komm, Werner, du sollst mit mir essen.

WERNER. An der Wirtstafel hier im Hause? Da wird mir kein Bissen schmecken.

V. TELLHEIM. Bei mir auf der Stube.

WERNER. So folge ich Ihnen gleich. Nur noch ein Wort mit dem Frauenzimmerchen.

V. TELLHEIM. Das gefällt mir nicht übel! (Geht ab.)

Elfter Auftritt

Paul Werner. Franziska.

FRANZISKA. Nun, Herr Wachtmeister? –

WERNER. Frauenzimmerchen, wenn ich wiederkomme, soll ich auch geputzter kommen?

FRANZISKA. Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister; meine Augen werden nichts wider Ihn haben. Aber meine Ohren werden desto mehr auf ihrer Hut gegen Ihn sein müssen. – Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ei, ei, Herr Wachtmeister!

WERNER. Nein, Frauenzimmerchen, eben das wollt' ich Ihr noch sagen: die Schnurre fuhr mir nun so heraus! Es ist nichts dran. Man hat ja wohl an einem Ringe genug. Und hundert- und aberhundertmal habe ich den Major sagen hören: »Das muß ein Schurke von einem Soldaten sein, der ein Mädchen anführen kann!« – So denk ich auch, Frauenzimmerchchen. Verlaß Sie sich darauf! – Ich muß machen, daß ich ihm nachkomme. – Guten Appetit, Frauenzimmerchen! (Geht ab.)

FRANZISKA. Gleichfalls, Herr Wachtmeister! – Ich glaube, der Mann gefällt mir! (Indem sie hineingehen will, kömmt ihr das Fräulein entgegen.)

Zwölfter Auftritt

Das Fräulein. Franziska.

DAS FRÄULEIN. Ist der Major schon wieder fort? – Franziska, ich glaube, ich wäre jetzt schon wieder ruhig genug, daß ich ihn hätte hierbehalten können.

FRANZISKA. Und ich will Sie noch ruhiger machen.

DAS FRÄULEIN. Desto besser! Sein Brief, oh, sein Brief! Jede Zeile sprach den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung, mich zu besitzen, beteuerte mir seine Liebe. – Er wird es wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. – Mag er doch, wenn er nur kömmt. Er kömmt doch gewiß? – Bloß ein wenig zu viel Stolz Franziska, scheint mir in seiner Aufführung zu sein. Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht wollen zu danken haben, ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn er mir diesen zu stark merken läßt, Franziska –

FRANZISKA. So wollen Sie seiner entsagen?

DAS FRÄULEIN. Ei, sieh doch! Jammert er dich nicht schon wieder? Nein, liebe Närrin, eines Fehlers wegen entsagt man keinem Manne. Nein, aber ein Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit ähnlichem Stolze ein wenig zu martern.

FRANZISKA. Nun, da müssen Sie ja recht sehr ruhig sein, mein Fräulein, wenn Ihnen schon wieder Streiche beifallen.

DAS FRÄULEIN. Ich bin es auch; komm nur. Du wirst deine Rolle dabei zu spielen haben. (Sie gehen herein.)

Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Die Szene: Das Zimmer des Fräuleins.

Das Fräulein völlig und reich, aber mit Geschmack gekleidet. Franziska. Sie stehen vom Tische auf, den

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