Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 12)
mit Fleiß verloren, Schwesterchen?
SITTAH. Zum wenigsten kann gar wohl sein, daß deine
Freigebigkeit, mein liebes Brüderchen,
Schuld ist, daß ich nicht besser spielen lernen.
SALADIN. Wir kommen ab vom Spiele. Mach ein Ende!
SITTAH.
So bleibt es? Nun dann: Schach! und doppelt Schach!
SALADIN. Nun freilich; dieses Abschach hab ich nicht
Gesehn, das meine Königin zugleich
Mit niederwirft.
SITTAH. War dem noch abzuhelfen?
Laß sehn.
SALADIN. Nein, nein; nimm nur die Königin.
Ich war mit diesem Steine nie recht glücklich.
SITTAH. Bloß mit dem Steine?
SALADIN. Fort damit! – Das tut
Mir nichts. Denn so ist alles wiederum
Geschützt.
SITTAH. Wie höflich man mit Königinnen
Verfahren müsse: hat mein Bruder mich
Zu wohl gelehrt. (Sie läßt sie stehen.)
SALADIN. Nimm, oder nimm sie nicht!
Ich habe keine mehr.
SITTAH. Wozu sie nehmen?
Schach! – Schach!
SALADIN. Nur weiter.
SITTAH. Schach! – und Schach! – und Schach! –
SALADIN. Und matt!
SITTAH. Nicht ganz; du ziehst den Springer noch
Dazwischen; oder was du machen willst.
Gleichviel!
SALADIN. Ganz recht! – Du hast gewonnen: und
Al-Hafi zahlt. Man lass' ihn rufen! gleich! –
Du hattest, Sittah, nicht so unrecht; ich
War nicht so ganz beim Spiele; war zerstreut.
Und dann: wer gibt uns denn die glatten Steine
Beständig? die an nichts erinnern, nichts
Bezeichnen. Hab ich mit dem Iman denn
Gespielt? – Doch was? Verlust will Vorwand. Nicht
Die ungeformten Steine, Sittah, sind's,
Die mich verlieren machten: deine Kunst,
Dein ruhiger und schneller Blick ...
SITTAH. Auch so
Willst du den Stachel des Verlusts nur stumpfen.
Genug, du warst zerstreut; und mehr als ich.
SALADIN. Als du? Was hätte dich zerstreuet?
SITTAH. Deine
Zerstreuung freilich nicht! – O Saladin,
Wenn werden wir so fleißig wieder spielen.
SALADIN. So spielen wir um so viel gieriger! –
Ah! weil es wieder losgeht, meinst du? – Mag's! –
Nur zu! – Ich habe nicht zuerst gezogen;
Ich hätte gern den Stillestand aufs neue
Verlängert; hätte meiner Sittah gern,
Gern einen guten Mann zugleich verschafft.
Und das muß Richards Bruder sein: er ist
Ja Richards Bruder.
SITTAH. Wenn du deinen Richard
Nur loben kannst!
SALADIN. Wenn unserm Bruder Melek
Dann Richards Schwester wär' zu Teile worden:
Ha! welch ein Haus zusammen! Ha, der ersten,
Der besten Häuser in der Welt das beste! –
Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch
Nicht faul. Ich dünk mich meiner Freunde wert. –
Das hätte Menschen geben sollen! das!
SITTAH.
Hab ich des schönen Traums nicht gleich gelacht?
Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen.
Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn
Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her,
Mit Menschlichkeit den Aberglauben würzt,
Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist:
Weil's Christus lehrt; weil's Christus hat getan. –
Wohl ihnen, daß er so ein guter Mensch
Noch war! Wohl ihnen, daß sie seine Tugend
Auf Treu und Glaube nehmen können! – Doch
Was Tugend? – Seine Tugend nicht; sein Name
Soll überall verbreitet werden; soll
Die Namen aller guten Menschen schänden,
Verschlingen. Um den Namen, um den Namen
Ist ihnen nur zu tun.
SALADIN. Du meinst: warum
Sie sonst verlangen würden, daß auch ihr,
Auch du und Melek, Christen hießet, eh'
Als Ehgemahl ihr Christen lieben wolltet?
SITTAH.
Jawohl! Als wär' von Christen nur, als Christen,
Die Liebe zu gewärtigen, womit
Der Schöpfer Mann und Männin ausgestattet!
SALADIN.
Die Christen glauben mehr Armseligkeiten,
Als daß sie die nicht auch noch glauben könnten!
Und gleichwohl irrst du dich. – Die Tempelherren,
Die Christen nicht, sind schuld: sind nicht, als Christen,
Als Tempelherren schuld. Durch die allein
Wird aus