Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 14)

ich glauben, daß es so

Weit gehen würde.

SALADIN.  Nun? erfahr ich nichts?

SITTAH. Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.

SALADIN. Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah

So feierlich, so warm bei einem Fremden,

Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,

Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen.

Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch!

SITTAH.

Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir

Nicht näher treten, als sie würdig ist.

Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen

Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.

Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;

Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld

Nicht eben allzuhäufig ist: so sind

Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt

Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,

Noch Hafi, noch der Kasse schenken.

AL-HAFI.    Ja,

Wenn's das nur wäre! das!

SITTAH.    Und mehr dergleichen. –

Auch das ist in der Kasse stehngeblieben,

Was du mir einmal ausgeworfen; ist

Seit wenig Monden stehngeblieben.

AL-HAFI.  Noch

Nicht alles.

SALADIN. Noch nicht? – Wirst du reden?

AL-HAFI. Seit aus Ägypten wir das Geld erwarten,

Hat sie ...

SITTAH (zu Saladin).

Wozu ihn hören?

AL-HAFI.  Nicht nur nichts

Bekommen ...

SALADIN.   Gutes Mädchen! – Auch beiher

Mit vorgeschossen. Nicht?

AL-HAFI.       Den ganzen Hof

Erhalten; Euern Aufwand ganz allein

Bestritten.

SALADIN.    Ha! das, das ist meine Schwester!

(Sie umarmend.)

SITTAH. Wer hatte, dies zu können, mich so reich

Gemacht, als du, mein Bruder?

AL-HAFI.   Wird schon auch

So bettelarm sie wieder machen, als

Er selber ist.

SALADIN.  Ich arm? der Bruder arm?

Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt? –

Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd – und Einen Gott!

Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen?

Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.

SITTAH.

Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater

Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!

SALADIN. Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit

Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich

Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,

Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt,

Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt

Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,

Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. –

Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,

Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,

Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst

Darunter leidet. – Doch was kann das machen?

Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben.

Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen.

Ihm gnügt schon so mit wenigem genug;

Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuß

Von deiner Kasse, Hafi, hatt' ich sehr

Gerechnet.

AL-HAFI. Überschuß? – Sagt selber, ob

Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens

Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuß

Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja,

Auf Unterschleif! das war zu wagen.

SALADIN.   Nun,

Was machen wir denn aber? – Konntest du

Vorerst bei niemand andern borgen, als

Bei Sittah?

SITTAH.    Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder,

Mir haben nehmen lassen? Mir von ihm?

Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf

Dem Trocknen völlig nicht.

SALADIN. Nur völlig nicht!

Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi!

Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst!

Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht

Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen

Von diesen, möchte wiederfordern heißen.

Geh zu den Geizigsten; die werden mir

Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl,

Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.

AL-HAFI. Ich kenne deren keine.

SITTAH. Eben fällt

Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß

Dein Freund zurückgekommen.

Al-Hafi (betroffen). Freund? mein Freund?

Wer wär' denn das?

SITTAH.   Dein hochgepriesner Jude.

AL-HAFI. Gepriesner

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