Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 10)

nur kaum begleitet. –

Ihr merkt doch?

TEMPELHERR.   Nimmermehr!

KLOSTERBRUDER.   Was wäre da

Wohl leichter, als des Saladins sich zu

Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? –

Ihr schaudert? – O es haben schon ein paar

Gottsfürcht'ge Maroniten sich erboten,

Wenn nur ein wackrer Mann sie führen wolle,

Das Stück zu wagen.

TEMPELHERR.   Und der Patriarch

Hätt' auch zu diesem wackern Manne mich

Ersehn?

KLOSTERBRUDER.

  Er glaubt, daß König Philipp wohl

Von Ptolemais aus die Hand hierzu

Am besten bieten könne.

TEMPELHERR. Mir? mir, Bruder?

Mir? Habt Ihr nicht gehört? nur erst gehört,

Was für Verbindlichkeit dem Saladin

lch habe?

KLOSTERBRUDER.

   Wohl hab ich's gehört.

TEMPELHERR.      Und doch?

KLOSTERBRUDER.

Ja, – meint der Patriarch, – das wär' schon gut:

Gott aber und der Orden ...

TEMPELHERR.    Ändern nichts!

Gebieten mir kein Bubenstück!

KLOSTERBRUDER. Gewiß nicht! –

Nur, – meint der Patriarch, – sei Bubenstück

Vor Menschen, nicht auch Bubenstück vor Gott.

TEMPELHERR.

Ich wär' dem Saladin mein Leben schuldig:

Und raubt' ihm seines?

KLOSTERBRUDER.    Pfui! – Doch bliebe, – meint

Der Patriarch, – noch immer Saladin

Ein Feind der Christenheit, der Euer Freund

Zu sein, kein Recht erwerben könne.

TEMPELHERR.  Freund?

An dem ich bloß nicht will zum Schurken werden;

Zum undankbaren Schurken?

KLOSTERBRUDER. Allerdings!

Zwar, – meint der Patriarch, – des Dankes sei

Man quitt, vor Gott und Menschen quitt, wenn uns

Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen.

Und da verlauten wolle, – meint der Patriarch, –

Daß Euch nur darum Saladin begnadet,

Weil ihm in Eurer Mien', in Euerm Wesen

So was von seinem Bruder eingeleuchtet ...

TEMPELHERR. Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? –

Ah! wäre das gewiß! Ah, Saladin! –

Wie? die Natur hätt' auch nur einen Zug

Von mir in deines Bruders Form gebildet:

Und dem entspräche nichts in meiner Seele?

Was dem entspräche, könnt' ich unterdrücken,

Um einem Patriarchen zu gefallen? –

Natur, so leugst du nicht! So widerspricht

Sich Gott in seinen Werken nicht! – Geht, Bruder! –

Erregt mir meine Galle nicht! – Geht! geht!

KLOSTERBRUDER.

Ich geh; und geh vergnügter, als ich kam.

Verzeihe mir der Herr. Wir Klosterleute

Sind schuldig, unsern Obern zu gehorchen.

Sechster Auftritt

Der Tempelherr und Daja, die den Tempelherrn schon eine Zeitlang von weitem beobachtet hatte und sich nun ihm nähert.

DAJA. Der Klosterbruder wie mich dünkt, ließ in

Der besten Laun' ihn nicht. – Doch muß ich mein

Paket nur wagen.

TEMPELHERR.    Nun, vortrefflich! – Lügt

Das Sprichwort wohl: daß Mönch und Weib, und Weib

Und Mönch des Teufels beide Krallen sind?

Er wirft mich heut aus einer in die andre.

DAJA. Was seh ich? – Edler Ritter, Euch? – Gott Dank!

Gott tausend Dank! – Wo habt Ihr denn

Die ganze Zeit gesteckt? – Ihr seid doch wohl

Nicht krank gewesen?

TEMPELHERR.   Nein.

DAJA. Gesund doch?

TEMPELHERR.  Ja.

DAJA. Wir waren Euertwegen wahrlich ganz

Bekümmert.

TEMPELHERR.   So?

DAJA.   Ihr wart gewiß verreist?

TEMPELHERR.

Erraten!

DAJA.  Und kamt heut erst wieder?

TEMPELHERR. Gestern.

DAJA. Auch Rechas Vater ist heut angekommen.

Und nun darf Recha doch wohl hoffen?

TEMPELHERR.     Was?

DAJA. Warum sie Euch so öfters bitten lassen.

Ihr Vater ladet Euch nun selber bald

Aufs dringlichste. Er kömmt von Babylon.

Mit zwanzig hochbeladenen Kamelen,

Und allem, was an edeln Spezereien,

An Steinen und an Stoffen, Indien

Und Persien und Syrien, gar Sina,

Kostbares nur gewähren.

TEMPELHERR. Kaufe nichts.

DAJA. Sein Volk verehret ihn als einen Fürsten.

Doch daß es ihn den Weisen Nathan nennt

Und nicht vielmehr den Reichen, hat mich oft

Gewundert.

TEMPELHERR.

    Seinem Volk ist reich und weise

Vielleicht das Nämliche.

DAJA.  Vor allen aber

Hätt's ihn den Guten nennen müssen. Denn

Ihr stellt Euch gar

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