Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 21)

Meinung?

AL-HAFI. Er hört mich gar nicht an, und wirft verächtlich

Das ganze Spiel in Klumpen.

NATHAN.      Ist das möglich?

AL-HAFI. Und sagt: er wolle matt nun einmal sein;

Er wolle! Heißt das spielen?

NATHAN. Schwerlich wohl;

Heißt mit dem Spielen spielen.

AL-HAFI.  Gleichwohl galt

Es keine taube Nuß.

NATHAN.   Geld hin, Geld her!

Das ist das wenigste. Allein dich gar

Nicht anzuhören! über einen Punkt

Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal

Zu hören! deinen Adlerblick nicht zu

Bewundern! das, das schreit um Rache; – nicht?

AL-HAFI.

Ach was! Ich sag Euch das nur, damit

Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist.

Kurz, ich, ich halt's mit ihm nicht länger aus.

Da lauf ich nun bei allen schmutz'gen Mohren

Herum, und frage, wer ihm borgen will.

Ich, der ich nie für mich gebettelt habe,

Soll nun für andre borgen. Borgen ist

Viel besser nicht als betteln: so wie leihen,

Auf Wucher leihen, nicht viel besser ist,

Als stehlen. Unter meinen Ghebern, an

Dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche

Das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges,

Am Ganges nur gibt's Menschen. Hier seid Ihr

Der einzige, der noch so würdig wäre,

Daß er am Ganges lebte. – Wollt Ihr mit? –

Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche,

Um den es ihm zu tun. Er bringt Euch nach

Und nach doch drum. So wär' die Plackerei

Auf einmal aus. Ich schaff Euch einen Delk.

Kommt! kommt!

NATHAN.    Ich dächte zwar, das blieb' uns ja

Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will

Ich's überlegen. Warte ...

AL-HAFI.      Überlegen?

Nein, so was überlegt sich nicht.

NATHAN.   Nur bis

Ich von dem Sultan wiederkomme; bis

Ich Abschied erst ...

AL-HAFI.   Wer überlegt, der sucht

Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer

Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht

Entschließen kann, der lebet andrer Sklav'

Auf immer. – Wie Ihr wollt! – Lebt wohl! wie's Euch

Wohl dünkt. – Mein Weg liegt dort; und Eurer da.

NATHAN. Al-Hafi! Du wirst selbst doch erst das Deine

Berichtigen?

AL-HAFI.  Ach Possen! Der Bestand

Von meiner Kass' ist nicht des Zählens wert;

Und meine Rechnung bürgt – Ihr oder Sittah.

Lebt wohl! (Ab.)

NATHAN (ihm nachsehend).

    Die bürg ich! – Wilder, guter, edler –

Wie nenn ich ihn? – Der wahre Bettler ist

Doch einzig und allein der wahre König!

(Von einer andern Seite ab.)

Dritter Aufzug

Erster Auftritt

Szene: in Nathans Hause.

Recha und Daja.

RECHA. Wie, Daja, drückte sich mein Vater aus?

»Ich dürf' ihn jeden Augenblick erwarten?«

Das klingt – nicht wahr? – als ob er noch so bald

Erscheinen werde. – Wieviel Augenblicke

Sind aber schon vorbei! – Ah nun: wer denkt

An die verflossenen? – Ich will allein

In jedem nächsten Augenblicke leben.

Er wird doch einmal kommen, der ihn bringt.

DAJA.

O der verwünschten Botschaft von dem Sultan!

Denn Nathan hätte sicher ohne sie

Ihn gleich mit hergebracht.

RECHA.    Und wenn er nun

Gekommen, dieser Augenblick; wenn denn

Nun meiner Wünsche wärmster, innigster

Erfüllet ist: was dann? – was dann?

DAJA.  Was dann?

Dann hoff ich, daß auch meiner Wünsche wärmster

Soll in Erfüllung gehen.

RECHA.  Was wird dann

In meiner Brust an dessen Stelle treten,

Die schon verlernt, ohn' einen herrschenden

Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen? – Nichts?

Ah, ich erschrecke! ...

DAJA. Mein, mein Wunsch wird dann

An des erfüllten Stelle treten; meiner.

Mein Wunsch, dich in Europa, dich in Händen

Zu wissen, welche deiner würdig sind.

RECHA. Du irrst. – Was diesen Wunsch zu deinem macht,

Das nämliche verhindert, daß er meiner

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