Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 23)
wie ein Funken
Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen,
Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beide
Herausschmiß aus der Glut. – Was gibt es da
Zu danken? – In Europa treibt der Wein
Zu noch weit andern Taten. – Tempelherren,
Die müssen einmal nun so handeln; müssen
Wie etwas besser zugelernte Hunde,
Sowohl aus Feuer, als aus Wasser holen.
TEMPELHERR (der sie mit Erstaunen und Unruhe
die Zeit über betrachtet).
O Daja, Daja! Wenn in Augenblicken
Des Kummers und der Galle, meine Laune
Dich übel anließ, warum jede Torheit,
Die meiner Zung' entfuhr, ihr hinterbringen?
Das hieß sich zu empfindlich rächen, Daja!
Doch wenn du nur von nun an besser mich
Bei ihr vertreten willst.
DAJA. Ich denke, Ritter,
Ich denke nicht, daß diese kleinen Stacheln,
Ihr an das Herz geworfen, Euch da sehr
Geschadet haben.
RECHA. Wie? Ihr hattet Kummer?
Und wart mit Euerm Kummer geiziger
Als Euerm Leben?
TEMPELHERR. Gutes, holdes Kind! –
Wie ist doch meine Seele zwischen Auge
Und Ohr geteilt! – Das war das Mädchen nicht,
Nein, nein, das war es nicht, das aus dem Feuer
Ich holte. – Denn wer hätte die gekannt,
Und aus dem Feuer nicht geholt? Wer hätte
Auf mich gewartet? – Zwar – verstellt – der Schreck.
(Pause, unter der er, in Anschauung ihrer, sich wie verliert.)
RECHA. Ich aber find Euch noch den nämlichen. –
(Dergleichen; bis sie fortfährt, um ihn in seinem Anstaunen zu unterbrechen.)
Nun, Ritter, sagt uns doch, wo Ihr so lange
Gewesen? – Fast dürft' ich auch fragen: wo
Ihr itzo seid?
TEMPELHERR.
Ich bin, – wo ich vielleicht
Nicht sollte sein. –
RECHA. Wo Ihr gewesen? – Auch
Wo Ihr vielleicht nicht solltet sein gewesen?
Das ist nicht gut.
TEMPELHERR. Auf – auf – wie heißt der Berg?
Auf Sinai.
RECHA. Auf Sinai? – Ah schön!
Nun kann ich zuverlässig doch einmal
Erfahren, ob es wahr ...
TEMPELHERR. Was? was? Ob's wahr,
Daß noch daselbst der Ort zu sehn, wo Moses
Vor Gott gestanden, als ...
RECHA. Nun das wohl nicht.
Denn wo er stand, stand er vor Gott. Und davon
Ist mir zur Gnüge schon bekannt. – Ob's wahr,
Möcht' ich nur gern von Euch erfahren, daß –
Daß es bei weitem nicht so mühsam sei,
Auf diesen Berg hinaufzusteigen, als
Herab? – Denn seht, soviel ich Berge noch
Gestiegen bin, war's just das Gegenteil. –
Nun, Ritter? – Was? – Ihr kehrt Euch von mir ab?
Wollt mich nicht sehn?
TEMPELHERR. Weil ich Euch hören will.
RECHA. Weil Ihr mich nicht wollt merken lassen, daß
Ihr meiner Einfalt lächelt; daß Ihr lächelt,
Wie ich Euch doch so gar nichts Wichtigers
Von diesem heiligen Berg' aller Berge
Zu fragen weiß? Nicht wahr?
TEMPELHERR. So muß
Ich doch Euch wieder in die Augen sehn. –
Was? Nun schlagt Ihr sie nieder? nun verbeißt
Das Lächeln Ihr? wie ich noch erst in Mienen,
In zweifelhaften Mienen lesen will,
Was ich so deutlich hör, Ihr so vernehmlich
Mir sagt – verschweigt? – Ah Recha! Recha! Wie
Hat er so wahr gesagt: »Kennt sie nur erst!«
RECHA. Wer hat? – von wem? – Euch das gesagt?
TEMPELHERR. »Kennt sie
Nur erst!« hat Euer Vater mir gesagt;
Von Euch gesagt.
DAJA. Und ich nicht etwa auch?
Ich denn nicht auch?
TEMPELHERR. Allein wo ist er denn?
Wo ist denn Euer Vater? Ist er noch
Beim Sultan?
RECHA. Ohne Zweifel.
TEMPELHERR. Noch, noch da? –
O mich Vergeßlichen! Nein, nein; da ist
Er schwerlich mehr. – Er wird dort unten bei
Dem Kloster meiner