Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 24)

warten; ganz gewiß.

So red'ten, mein ich, wir es ab. Erlaubt!

Ich geh, ich hol ihn ...

DAJA.    Das ist meine Sache.

Bleibt, Ritter, bleibt. Ich bring ihn unverzüglich.

TEMPELHERR.

Nicht so, nicht so! Er sieht mir selbst entgegen;

Nicht Euch. Dazu, er könnte leicht ... wer weiß? ...

Er könnte bei dem Sultan leicht, ... Ihr kennt

Den Sultan nicht! ... leicht in Verlegenheit

Gekommen sein. – Glaubt mir; es hat Gefahr,

Wenn ich nicht geh.

RECHA.    Gefahr? was für Gefahr?

TEMPELHERR.

Gefahr für mich, für Euch, für ihn: wenn ich

Nicht schleunig, schleunig geh. (Ab.)

Dritter Auftritt

Recha und Daja.

RECHA.  Was ist das, Daja? –

So schnell? – Was kömmt ihm an? Was fiel ihm auf?

Was jagt ihn?

DAJA.   Laßt nur, laßt. Ich denk, es ist

Kein schlimmes Zeichen.

RECHA.   Zeichen? und wovon?

DAJA.

Daß etwas vorgeht innerhalb. Es kocht

Und soll nicht überkochen. Laßt ihn nur.

Nun ist's an Euch.

RECHA.    Was ist an mir? Du wirst,

Wie er, mir unbegreiflich.

DAJA.    Bald nun könnt

Ihr ihm die Unruh' all vergelten, die

Er Euch gemacht hat. Seid nur aber auch

Nicht allzu streng, nicht allzu rachbegierig.

RECHA. Wovon du sprichst, das magst du selber wissen.

DAJA. Und seid denn Ihr bereits so ruhig wieder?

RECHA. Das bin ich; ja das bin ich ...

DAJA.    Wenigstens

Gesteht, daß Ihr Euch seiner Unruh' freut;

Und seiner Unruh' danket, was Ihr itzt

Von Ruh' genießt.

RECHA.  Mir völlig unbewußt!

Denn was ich höchstens dir gestehen könnte,

Wär', daß es mich – mich selbst befremdet, wie

Auf einen solchen Sturm in meinem Herzen

So eine Stille plötzlich folgen können.

Sein voller Anblick, sein Gespräch, sein Ton

Hat mich ...

DAJA.  Gesättigt schon?

RECHA. Gesättigt, will

Ich nun nicht sagen; nein – bei weitem nicht –

DAJA. Den heißen Hunger nur gestillt.

RECHA.  Nun ja:

Wenn du so willst.

DAJA.  Ich eben nicht.

RECHA. Er wird

Mir ewig wert; mir ewig werter, als

Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls

Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt;

Nicht mehr mein Herz, sooft ich an ihn denke,

Geschwinder, stärker schlägt. – Was schwatz ich? Komm,

Komm, liebe Daja, wieder an das Fenster,

Das auf die Palmen sieht.

DAJA.   So ist er doch

Wohl noch nicht ganz gestillt, der heiße Hunger.

RECHA. Nun werd ich auch die Palmen wieder sehn:

Nicht ihn bloß untern Palmen.

DAJA.  Diese Kälte

Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur.

RECHA. Was Kält'? Ich bin nicht kalt. Ich sehe wahrlich

Nicht minder gern, was ich mit Ruhe sehe.

Vierter Auftritt

Szene: ein Audienzsaal in dem Palaste des Saladin.

 

Saladin und Sittah.

SALADIN (im Hereintreten, gegen die Türe).

Hier bringt den Juden her, sobald er kömmt.

Er scheint sich eben nicht zu übereilen.

SITTAH.

Er war auch wohl nicht bei der Hand; nicht gleich

Zu finden.

SALADIN.    Schwester! Schwester!

SITTAH.    Tust du doch,

Als stünde dir ein Treffen vor.

SALADIN.  Und das

Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen.

Ich soll mich stellen; soll besorgen lassen;

Soll Fallen legen, soll auf Glatteis führen.

Wenn hätt' ich das gekonnt? Wo hätt' ich das

Gelernt? – Und soll das alles, ah, wozu?

Wozu? – Um Geld zu fischen; Geld! – Um Geld,

Geld einem Juden abzubangen; Geld!

Zu solchen kleinen Listen wär' ich endlich

Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir

Zu schaffen?

SITTAH.  Jede Kleinigkeit, zu sehr

Verschmäht, die rächt sich, Bruder.

SALADIN.  Leider wahr. –

Und wenn nun dieser Jude gar der gute,

Vernünft'ge Mann ist, wie der Derwisch dir

Ihn ehedem beschrieben?

SITTAH.   O nun dann!

Was hat es dann für Not!

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