Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 26)

dich so bedienen, daß

Ich deiner fernern Kundschaft würdig bleibe.

SALADIN. Bedienen? wie?

NATHAN.    Du sollst das Beste haben

Von allem; sollst es um den billigsten

Preis haben.

SALADIN. Wovon sprichst du? doch wohl nicht

Von deinen Waren? – Schachern wird mit dir

Schon meine Schwester. (Das der Horcherin!) –

Ich habe mit dem Kaufmann nichts zu tun.

NATHAN.

So wirst du ohne Zweifel wissen wollen,

Was ich auf meinem Wege von dem Feinde,

Der allerdings sich wieder reget, etwa

Bemerkt, getroffen? – Wenn ich unverhohlen ...

SALADIN.

Auch darauf bin ich eben nicht mit dir

Gesteuert. Davon weiß ich schon, so viel

Ich nötig habe. – Kurz; –

NATHAN.  Gebiete, Sultan.

SALADIN.

Ich heische deinen Unterricht in ganz

Was anderm; ganz was anderm. – Da du nun

So weise bist: so sage mir doch einmal –

Was für ein Glaube, was für ein Gesetz

Hat dir am meisten eingeleuchtet?

NATHAN.  Sultan,

Ich bin ein Jud'.

SALADIN.    Und ich ein Muselmann.

Der Christ ist zwischen uns. – Von diesen drei

Religionen kann doch eine nur

Die wahre sein. – Ein Mann, wie du, bleibt da

Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt

Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt,

Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern.

Wohlan! so teile deine Einsicht mir

Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen

Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit

Gehabt. Laß mich die Wahl, die diese Gründe

Bestimmt, – versteht sich, im Vertrauen – wissen

Damit ich sie zu meiner mache. Wie?

Du stutzest? wagst mich mit dem Auge? – Kann

Wohl sein, daß ich der erste Sultan bin,

Der eine solche Grille hat; die mich

Doch eines Sultans eben nicht so ganz

Unwürdig dünkt. – Nicht wahr? – So rede doch!

Sprich! – Oder willst du einen Augenblick,

Dich zu bedenken? Gut, ich geb ihn dir. –

(Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen;

Will hören, ob ich's recht gemacht. –) Denk nach.

Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück-

Zukommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.)

Sechster Auftritt

Nathan allein.

  Hm! hm! – wunderlich! – Wie ist

Mir denn? – Was will der Sultan? was? – Ich bin

Auf Geld gefaßt; und er will – Wahrheit. Wahrheit!

Und will sie so, – so bar, so blank, – als ob

Die Wahrheit Münze wäre! – Ja, wenn noch

Uralte Münze, die gewogen ward! –

Das ginge noch! Allein so neue Münze,

Die nur der Stempel macht, die man aufs Brett

Nur zahlen darf, das ist sie doch nun nicht!

Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf

Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?

Ich oder er? – Doch wie? Sollt' er auch wohl

Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? – Zwar,

Zwar der Verdacht, daß er die Wahrheit nur

Als Falle brauche, wär' auch gar zu klein! –

Zu klein? – Was ist für einen Großen denn

Zu klein? – Gewiß, gewiß: er stürzte mit

Der Türe so ins Haus! Man pocht doch, hört

Doch erst, wenn man als Freund sich naht. – Ich muß

Behutsam gehn! – Und wie? wie das? – So ganz

Stockjude sein zu wollen, geht schon nicht. –

Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.

Denn, wenn kein Jude, dürft' er mich nur fragen,

Warum kein Muselmann? – Das war's! Das kann

Mich retten! – Nicht die Kinder bloß, speist man

Mit Märchen ab. – Er kömmt. Er komme nur!

Siebenter

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