Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 34)

nur, daß ich den Herrn

In meinem Leben wieder nie zu sehn

Bekommen würde. Denn ich hofft' es zu

Dem lieben Gott. – Der liebe Gott, der weiß,

Wie sauer mir der Antrag ward, den ich

Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß,

Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch

Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut,

Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund

Das alles, ohne viel Bedenken, von

Euch wies't, was einem Ritter nicht geziemt. –

Nun kommt Ihr doch; nun hat's doch nachgewirkt!

TEMPELHERR.

Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum

Weiß ich es selbst.

KLOSTERBRUDER.    Ihr habt's nun überlegt;

Habt nun gefunden, daß der Patriarch

So unrecht doch nicht hat; daß Ehr' und Geld

Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß

Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel

Auch siebenmal gewesen wäre. Das,

Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen,

Und kommt, und tragt Euch wieder an. – Ach Gott!

TEMPELHERR.

Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden.

Deswegen komm ich nicht; deswegen will

Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,

Noch denk ich über jenen Punkt, wie ich

Gedacht, und wollt' um alles in der Welt

Die gute Meinung nicht verlieren, deren

Mich ein so grader, frommer, lieber Mann

Einmal gewürdiget. – Ich komme bloß,

Den Patriarchen über eine Sache

Um Rat zu fragen ...

KLOSTERBRUDER.   Ihr den Patriarchen?

Ein Ritter, einen – Pfaffen?

(Sich schüchtern umsehend.)

TEMPELHERR.  Ja; – die Sach'

Ist ziemlich pfäffisch.

KLOSTERBRUDER.    Gleichwohl fragt der Pfaffe

Den Ritter nie, die Sache sei auch noch

So ritterlich.

TEMPELHERR.   Weil er das Vorrecht hat,

Sich zu vergehn, das unsereiner ihm

Nicht sehr beneidet. – Freilich, wenn ich nur

Für mich zu handeln hätte, freilich, wenn

Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte:

Was braucht' ich Euers Patriarchen? Aber

Gewisse Dinge will ich lieber schlecht,

Nach andrer Willen, machen; als allein

Nach meinem, gut. – Zudem, ich seh nun wohl,

Religion ist auch Partei; und wer

Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt,

Hält, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner

Die Stange. Weil das einmal nun so ist:

Wird's so wohl recht sein.

KLOSTERBRUDER.  Dazu schweig ich lieber.

Denn ich versteh den Herrn nicht recht.

TEMPELHERR. Und doch!

(Laß sehn, warum mir eigentlich zu tun!

Um Machtspruch oder Rat? – Um lautern, oder

Gelehrten Rat?) – Ich dank Euch, Bruder; dank

Euch für den guten Wink. – Was Patriarch? –

Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch

Den Christen mehr im Patriarchen, als

Den Patriarchen in dem Christen fragen.

Die Sach' ist die ...

KLOSTERBRUDER.  Nicht weiter, Herr, nicht weiter!

Wozu? – Der Herr verkennt mich. – Wer viel weiß,

Hat viel zu sorgen; und ich habe ja

Mich einer Sorge nur gelobt. – O gut!

Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst.

Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt.

Zweiter Auftritt

 

Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den

einen Kreuzgang heraufkömmt, und die Vorigen.

 

TEMPELHERR.

Ich wich' ihm lieber aus. – Wär' nicht mein Mann! –

Ein dicker, roter, freundlicher Prälat!

Und welcher Prunk!

KLOSTERBRUDER.  Ihr solltet ihn erst sehn

Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt

Er nur von einem Kranken.

TEMPELHERR.    Wie sich da

Nicht Saladin wird schämen müssen!

PATRIARCH (indem er näherkömmt, winkt dem Bruder). Hier! –

Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will

Er?

KLOSTERBRUDER. Weiß nicht.

PATRIARCH (auf ihn zugehend, indem der Bruder und

das Gefolge zurücktreten).

    Nun, Herr Ritter! – Sehr erfreut,

Den braven jungen Mann zu sehn!

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