Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 36)

umgekommen wäre?

PATRIARCH.

Tut nichts! der Jude wird verbrannt! – Denn besser,

Es wäre hier im Elend umgekommen,

Als daß zu seinem ewigen Verderben

Es so gerettet ward. – Zudem, was hat

Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott

Kann, wen er retten will, schon ohn' ihn retten.

TEMPELHERR.

Auch trotz ihm, sollt' ich meinen, – selig machen.

PATRIARCH.  Tut nichts! der Jude wird verbrannt.

TEMPELHERR.   Das geht

Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe

Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als

Vielmehr in keinem Glauben auferzogen,

Und sie von Gott nicht mehr nicht wenigcr

Gelehrt, als der Vernunft genügt.

PATRIARCH. Tut nichts!

Der Jude wird verbrannt ... Ja, wär' allein

Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt

Zu werden! – Was? ein Kind ohn' allen Glauben

Erwachsen lassen? – Wie? die große Pflicht,

Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren?

Das ist zu arg! Mich wundert sehr, Herr Ritter,

Euch selbst ...

TEMPELHERR.     Ehrwürd'ger Herr, das übrige,

Wenn Gott will, in der Beichte. (Will gehn.)

PATRIARCH.   Was? mir nun

Nicht einmal Rede stehn? – Den Bösewicht,

Den Juden mir nicht nennen? – mir ihn nicht

Zur Stelle schaffen? – O da weiß ich Rat!

Ich geh sogleich zum Sultan. – Saladin,

Vermöge der Kapitulation,

Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen;

Bei allen Rechten, allen Lehren schützen,

Die wir zu unsrer allerheiligsten

Religion nur immer rechnen dürfen!

Gottlob! wir haben das Orginal.

Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir! –

Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie

Gefährlich selber für den Staat es ist,

Nichts glauben! Alle bürgerliche Bande

Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn

Der Mensch nichts glauben darf. – Hinweg! hinweg

Mit solchem Frevel! ...

TEMPELHERR.   Schade, daß ich nicht

Den trefflichen Sermon mit beßrer Muße

Genießen kann! Ich bin zum Saladin

Gerufen.

PATRIARCH.   Ja? – Nun so – Nun freilich – Dann –

TEMPELHERR. Ich will den Sultan vorbereiten, wenn

Es Eurer Hochehrwürden so gefällt.

PATRIARCH. Oh, oh! – Ich weiß, der Herr hat Gnade funden

Vor Saladin! – Ich bitte meiner nur

Im Besten bei ihm eingedenk zu sein. –

Mich treibt der Eifer Gottes lediglich.

Was ich zuviel tu, tu ich ihm. – Das wolle

Doch ja der Herr erwägen! – Und nicht wahr,

Herr Ritter? das vorhin Erwähnte von

Dem Juden, war nur ein Problema? – ist

Zu sagen –

TEMPELHERR.  Ein Problema. (Geht ab.)

PATRIARCH.   (Dem ich tiefer

Doch auf den Grund zu kommen suchen muß.

Das wär' so wiederum ein Auftrag für

Den Bruder Bonafides.) – Hier, mein Sohn!

(Er spricht im Abgehn mit dem Klosterbruder.)

Dritter Auftritt

Szene: ein Zimmer im Palaste des Saladin, in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen, und auf dem Boden nebeneinandergestellt werden.

 

Saladin und bald darauf Sittah.

 

SALADIN (der dazukömmt).

Nun wahrlich! das hat noch kein Ende. – Ist

Des Dings noch viel zurück?

Ein Sklave. Wohl noch die Hälfte.

SALADIN. So tragt das übrige zu Sittah. – Und

Wo bleibt Al-Hafi? Das hier soll sogleich

Al-Hafi zu sich nehmen. – Oder ob

Ich's nicht vielmehr dem Vater schicke? Hier

Fällt mir es doch nur durch die Finger. – Zwar

Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß

Soll's Künste kosten, mir viel abzuzwacken.

Bis wenigstens die Gelder aus Ägypten

Zur Stelle kommen, mag das Armut sehn,

Wie's fertig wird! – Die Spenden bei dem Grabe,

Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger

Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen!

Wenn nur –

SITTAH. Was soll nun das? Was soll das Geld

Bei mir?

SALADIN.  Mach

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