Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 38)
Jamerlonk;
Im Tulban, oder deinem Filze: wie
Du willst! Gleichviel! Ich habe nie verlangt,
Daß allen Bäumen eine Rinde wachse.
TEMPELHERR.
Sonst wärst du wohl auch schwerlich, der du bist:
Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre.
SALADIN.
Nun dann; wenn du nicht schlechter von mir denkst:
So wären wir ja halb schon richtig?
TEMPELHERR. Ganz!
SALADIN (ihm die Hand bietend). Ein Wort?
TEMPELHERR (einschlagend).
Ein Mann! – Hiermit empfange mehr
Als du mir nehmen konntest. Ganz der Deine!
SALADIN. Zuviel Gewinn für einen Tag! zuviel! –
Kam er nicht mit?
TEMPELHERR. Wer?
SALADIN. Nathan.
TEMPELHERR (frostig). Nein. Ich kam
Allein.
SALADIN. Welch eine Tat von dir! Und welch
Ein weises Glück, daß eine solche Tat
Zum Besten eines solchen Mannes ausschlug.
TEMPELHERR. Ja, ja!
SALADIN. So kalt? – Nein, junger Mann! wenn Gott
Was Gutes durch uns tut, muß man so kalt
Nicht sein! – selbst aus Bescheidenheit so kalt
Nicht scheinen wollen!
TEMPELHERR. Daß doch in der Welt
Ein jedes Ding so manche Seiten hat! –
Von denen oft sich gar nicht denken läßt,
Wie sie zusammenpassen!
SALADIN. Halte dich
Nur immer an die best', und preise Gott!
Der weiß, wie sie zusammenpassen. – Aber,
Wenn du so schwierig sein willst, junger Mann:
So werd auch ich ja wohl auf meiner Hut
Mich mit dir halten müssen? Leider bin
Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die
Oft nicht so recht zu passen scheinen mögen.
TEMPELHERR.
Das schmerzt! – Denn Argwohn ist so wenig sonst
Mein Fehler –
SALADIN. Nun, so sage doch, mit wem
Du's hast? – Es schien ja gar, mit Nathan. Wie?
Auf Nathan Argwohn? du? – Erklär dich! sprich!
Komm, gib mir deines Zutrauns erste Probe.
TEMPELHERR.
Ich habe wider Nathan nichts. Ich zürn
Allein mit mir –
SALADIN. Und über was?
TEMPELHERR. Daß mir
Geträumt, ein Jude könn' auch wohl ein Jude
Zu sein verlernen; daß mir wachend so
Geträumt.
SALADIN. Heraus mit diesem wachen Traume!
TEMPELHERR.
Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was
Ich für sie tat, das tat ich, – weil ich's tat.
Zu stolz, Dank einzuernten, wo ich ihn
Nicht säete, verschmäht' ich Tag für Tag,
Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der Vater
War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf;
Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir
Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht
Von heitern Fernen. – Nun, ich lasse mich
Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich
Ein Mädchen ... Ah, ich muß mich schämen, Sultan! –
SALADIN. Dich schämen? – daß ein Judenmädchen auf
Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?
TEMPELHERR.
Daß diesem Eindruck, auf das liebliche
Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz
So wenig Widerstand entgegensetzte! –
Ich Tropf! ich sprang zum zweitenmal ins Feuer. –
Denn nun warb ich, und nun ward ich verschmäht.
SALADIN. Verschmäht?
TEMPELHERR. Der weise Vater schlägt nun wohl
Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater
Muß aber doch sich erst erkunden, erst
Besinnen. Allerdings! Tat ich denn das
Nicht auch? Erkundete, besann ich denn
Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? –
Fürwahr! bei Gott! Es ist doch gar was Schönes,
So weise, so bedächtig sein!
SALADIN. Nun, nun!
So sieh doch einem Alten etwas nach!
Wie lange können seine Weigerungen
Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen,
Daß du erst Jude werden sollst?
TEMPELHERR. Wer weiß!
SALADIN.
Wer weiß? – der diesen Nathan besser kennt.
TEMPELHERR. Der Aberglaub', in dem wir aufgewachsen,
Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum
Doch seine Macht nicht über uns. – Es sind
Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.
SALADIN.
Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich,