Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 41)

ihm sag', und der Verdacht

Ist ohne Grund: so hab ich ganz umsonst

Den Vater auf das Spiel gesetzt.) – Was ist's?

DAJA. Er will Euch sprechen.

NATHAN.   Nun, so laß ihn kommen;

Und geh indes.

Siebenter Auftritt

Nathan und der Klosterbruder.

NATHAN.   (Ich bliebe Rechas Vater

Doch gar zu gern! – Zwar kann ich's denn nicht bleiben,

Auch wenn ich aufhör, es zu heißen? – Ihr,

Ihr selbst werd ich's doch immer auch noch heißen,

Wenn sie erkennt, wie gern ich's wäre.) – Geh! –

Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder?

KLOSTERBRUDER. Nicht eben viel. – Ich freue mich, Herr Nathan,

Euch annoch wohl zu sehn.

NATHAN.     So kennt Ihr mich?

KLOSTERBRUDER. Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem

Ja Euern Namen in die Hand gedrückt.

Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren.

NATHAN (nach seinem Beutel langend).

Kommt, Bruder, kommt, ich frisch ihn auf.

KLOSTERBRUDER.  Habt Dank!

Ich würd' es Ärmern stehlen; nehme nichts. –

Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig

Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn

Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand

Etwas gelegt zu haben, was nicht zu

Verachten war.

NATHAN.    Verzeiht! – Ich schäme mich –

Sagt, was? – und nehmt zur Buße siebenfach

Den Wert desselben von mir an.

KLOSTERBRUDER.   Hört doch

Vor allen Dingen, wie ich selber nur

Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand

Erinnert worden.

NATHAN. Mir vertrautes Pfand?

KLOSTERBRUDER. Vor kurzem saß ich noch als Eremit

Auf Quarantana, unweit Jericho.

Da kam arabisch Raubgesindel, brach

Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle

Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam

lch noch und floh hierher zum Patriarchen,

Um mir ein ander Plätzchen auszubitten,

Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit

Bis an mein selig Ende dienen könne.

NATHAN.

Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Macht

Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand!

KLOSTERBRUDER.

Sogleich, Herr Nathan. – Nun, der Patriarch

Versprach mir eine Siedelei auf Tabor,

Sobald als eine leer; und hieß inzwischen

Im Kloster mich als Laienbruder bleiben.

Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange

Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn

Der Patriarch braucht mich zu allerlei,

Wovor ich großen Ekel habe. Zum

Exempel:

NATHAN.    Macht, ich bitt Euch!

KLOSTERBRUDER. Nun, es kömmt! –

Da hat ihm jemand heut ins Ohr gesetzt:

Es lebe hier herum ein Jude, der

Ein Christenkind als seine Tochter sich

Erzöge.

NATHAN.    Wie? (Betroffen.)

KLOSTERBRUDER.  Hört mich nur aus! – Indem

Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks,

Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und

Gewaltig sich ob eines solchen Frevels

Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider

Den heil'gen Geist bedünkt; – das ist, die Sünde,

Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt,

Nur daß wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen,

Worin sie eigentlich besteht: – da wacht

Mit einmal mein Gewissen auf; und mir

Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten

Zu dieser unverzeihlich großen Sünde

Gelegenheit gegeben haben. – Sagt:

Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren

Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen?

NATHAN. Wie das? – Nun freilich – allerdings –

KLOSTERBRUDER.   Ei, seht

Mich doch recht an! – Der Reitknecht, der bin ich.

NATHAN. Seid ihr?

KLOSTERBRUDER. Der Herr, von welchem ich's Euch brachte,

War – ist mir recht – ein Herr von Filnek. – Wolf

Von Filnek!

NATHAN. Richtig!

KLOSTERBRUDER.  Weil die Mutter kurz

Vorher gestorben war; und sich der Vater

Nach – mein ich – Gazza plötzlich werfen mußte,

Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte:

So sandt' er's Euch. Und traf ich

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