Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 43)
Euern Mantel eingehüllt. – Was Ihr
Mir damals sagtet; was ich Euch: hab ich
Vergessen. Soviel weiß ich nur, ich nahm
Das Kind, trug's auf mein Lager, küßt' es, warf
Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben
Doch nun schon Eines wieder!
KLOSTERBRUDER. Nathan! Nathan!
Ihr seid ein Christ! – Bei Gott, Ihr seid ein Christ!
Ein beßrer Christ war nie!
NATHAN. Wohl uns! Denn was
Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir
Zum Juden! – Aber laßt uns länger nicht
Einander nur erweichen. Hier braucht's Tat!
Und ob mich siebenfache Liebe schon
Bald an dies einz'ge fremde Mädchen band,
Ob der Gedanke mich schon tötet, daß
Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs neue
Verlieren soll: – wenn sie von meinen Händen
Die Vorsicht wieder fodert, – ich gehorche!
KLOSTERBRUDER.
Nun vollends! – Eben das bedacht' ich mich
So viel, Euch anzuraten! Und so hat's
Euch Euer guter Geist schon angeraten!
NATHAN. Nur muß der erste beste mir sie nicht
Entreißen wollen!
KLOSTERBRUDER. Nein, gewiß nicht!
NATHAN. Wer
Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich,
Muß frühere zum mind'sten haben –
KLOSTERBRUDER. Freilich!
NATHAN. Die ihm Natur und Blut erteilen.
KLOSTERBRUDER. So
Mein ich es auch!
NATHAN. Drum nennt mir nur geschwind
Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm,
Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt:
Ihm will ich sie nicht vorenthalten – Sie,
Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde
Zu sein erschaffen und erzogen ward. –
Ich hoff, Ihr wißt von diesem Euern Herrn
Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich.
KLOSTERBRUDER.
Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! – Denn
Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar
Zu kurze Zeit bei ihm gewesen.
NATHAN. Wißt
Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts
Die Mutter war? – War sie nicht eine Stauffin?
KLOSTERBRUDER. Wohl möglich! – Ja, mich dünkt.
NATHAN. Hieß nicht ihr Bruder
Conrad von Stauffen? – und war Tempelherr?
KLOSTERBRUDER. Wenn mich's nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein,
Daß ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen
Noch hab. Ich zog's ihm aus dem Busen, als
Wir ihn bei Askalon verscharrten.
NATHAN. Nun?
KLOSTERBRUDER. Es sind Gebete drin. Wir nennen's ein
Brevier. – Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch
Ja wohl noch brauchen. – Ich nun freilich nicht –
Ich kann nicht lesen –
NATHAN. Tut nichts! – Nur zur Sache.
KLOSTERBRUDER.
In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten,
Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn
Selbsteigner Hand, die Angehörigen
Von ihm und ihr geschrieben.
NATHAN. O erwünscht!
Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind!
Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen;
Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft!
KLOSTERBRUDER. Recht gern!
Es ist Arabisch aber, was der Herr
Hineingeschrieben. (Ab.)
NATHAN. Einerlei! Nur her! –
Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten,
Und einen solchen Eidam mir damit
Erkaufen könnte! – Schwerlich wohl! – Nun, fall'
Es aus, wie's will! – Wer mag es aber denn
Gewesen sein, der bei dem Patriarchen
So etwas angebracht? Das muß ich doch
Zu fragen nicht vergessen. – Wenn es gar
Von Daja käme?
Achter Auftritt
Daja und Nathan.
DAJA (eilig und verlegen).
Denkt doch, Nathan!
NATHAN. Nun?
DAJA. Das arme Kind erschrak wohl recht darüber!
Da schickt ...
NATHAN. Der Patriarch?
DAJA. Des Sultans Schwester,
Prinzessin Sittah ...
NATHAN. Nicht der Patriarch?
DAJA. Nein, Sittah! – Hört Ihr nicht! – Prinzessin Sittah
Schickt her, und läßt sie zu sich holen?
NATHAN. Wen?
Läßt Recha holen? – Sittah läßt sie holen? –
Nun; wenn sie Sittah holen läßt, und nicht
Der Patriarch ...
DAJA. Wie kommt Ihr