Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 46)

ich ihm da scheinen mußte! wie

Verächtlich! – Und das alles um ein Mädchen? –

Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk ein! Wenn vollends

Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte,

Was schwerlich zu erweisen stünde? – Sieh,

Da tritt er endlich, im Gespräch vertieft,

Aus seinem Hause! – Ha! mit wem! – Mit ihm?

Mit meinem Klosterbruder? – Ha! so weiß

Er sicherlich schon alles! ist wohl gar

Dem Patriarchen schon verraten! – Ha!

Was hab ich Querkopf nun gestiftet! – Daß

Ein einz'ger Funken dieser Leidenschaft

Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! –

Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu tun!

Ich will hier seitwärts ihrer warten, – ob

Vielleicht der Klosterbruder ihn verläßt.

Vierter Auftritt

Nathan und der Klosterbruder.

NATHAN (im Näherkommen).

Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank!

KLOSTERBRUDER. Und Ihr desgleichen!

NATHAN.   Ich? von Euch? wofür?

Für meinen Eigensinn, Euch aufzudringen,

Was Ihr nicht braucht? – Ja, wenn ihm Eurer nur

Auch nachgegeben hätt'; Ihr mit Gewalt

Nicht wolltet reicher sein, als ich.

KLOSTERBRUDER.    Das Buch

Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört

Ja ohnedem der Tochter; ist ja so

Der Tochter ganzes väterliches Erbe. –

Je nu, sie hat ja Euch. – Gott gebe nur,

Daß Ihr es nie bereuen dürft, so viel

Für sie getan zu haben!

NATHAN. Kann ich das?

Das kann ich nie. Seid unbesorgt!

KLOSTERBRUDER.    Nu, nu!

Die Patriarchen und die Tempelherren...

NATHAN. Vermögen mir des Bösen nie so viel

Zu tun, daß irgend was mich reuen könnte:

Geschweige, das! – Und seid Ihr denn so ganz

Versichert, daß ein Tempelherr es ist,

Der Euern Patriarchen hetzt?

KLOSTERBRUDER.    Es kann

Beinah kein andrer sein. Ein Tempelherr

Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte,

Das klang darnach.

NATHAN.  Es ist doch aber nur

Ein einziger itzt in Jerusalem.

Und diesen kenn ich. Dieser ist mein Freund.

Ein junger, edler offner Mann!

KLOSTERBRUDER.      Ganz recht;

Der nämliche! – Doch was man ist, und was

Man sein muß in der Welt, das paßt ja wohl

Nicht immer.

NATHAN.  Leider nicht. – So tue, wer's

Auch immer ist, sein Schlimmstes oder Bestes!

Mit Euerm Buche, Bruder, trotz ich allen;

Und gehe graden Wegs damit zum Sultan.

KLOSTERBRUDER.

Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier verlassen.

NATHAN.

Und habt sie nicht einmal gesehn? – Kommt ja

Doch bald, doch fleißig wieder. – Wenn nur heut

Der Patriarch noch nichts erfährt! – Doch was?

Sagt ihm auch heute, was Ihr wollt.

KLOSTERBRUDER. Ich nicht.

Lebt wohl! (Geht ab.)

NATHAN. Vergeßt uns ja nicht, Bruder! – Gott!

Daß ich nicht hier gleich unter freiem Himmel

Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich

Der Knoten, der so oft mir bange machte,

Nun von sich selber löset! – Gott! wie leicht

Mir wird, daß ich nun weiter auf der Welt

Nichts zu verbergen habe! daß ich vor

Den Menschen nun so frei kann wandeln, als

Vor dir, der du allein den Menschen nicht

Nach seinen Taten brauchst zu richten, die

So selten seine Taten sind, o Gott! –

Fünfter Auftritt

Nathan und der Tempelherr, der von der Seite auf ihn zukömmt.

TEMPELHERR. He! wartet, Nathan; nehmt mich mit!

NATHAN.    Wer ruft? –

Seid Ihr es, Ritter? Wo gewesen, daß

Ihr bei dem Sultan Euch nicht treffen lassen?

TEMPELHERR. Wir sind einander fehlgegangen. Nehmt's

Nicht übel.

NATHAN. Ich nicht; aber Saladin ...

TEMPELHERR. Ihr wart nur eben fort...

NATHAN.  Und spracht ihn doch?

Nun, so ist's gut.

TEMPELHERR.    Er will uns aber beide

Zusammen sprechen.

NATHAN. Desto besser. Kommt

Nur mit. Mein Gang stand ohnehin zu ihm. –

TEMPELHERR.

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