Ungekürztes Werk "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 7)

Nun, verstehn wir uns nur recht!

Hier gibt's zu unterscheiden. – Du? warum

Nicht du? Al-Hafi Derwisch ist zu allem,

Was ich vermag, mir stets willkommen. – Aber

Al-Hafi Defterdar des Saladin,

Der – dem –

DERWISCH. Erriet ich's nicht? Daß Ihr doch immer

So gut als klug, so klug als weise seid! –

Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet

Soll bald geschieden wieder sein. – Seht da

Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.

Eh' es verschossen ist, eh' es zu Lumpen

Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,

Hängt's in Jerusalem am Nagel, und

Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß

Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.

NATHAN. Dir ähnlich g'nug!

DERWISCH. Und Schach mit ihnen spiele.

NATHAN.

Dein höchstes Gut!

DERWISCH.  Denkt nur was mich verführte! –

Damit ich selbst nicht länger betteln dürfte?

Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte?

Vermögend wär' im Hui den reichsten Bettler

In einen armen Reichen zu verwandeln?

NATHAN. Das nun wohl nicht.

DERWISCH. Weit etwas Abgeschmackters!

Ich fühlte mich zum erstenmal geschmeichelt;

Durch Saladins gutherz'gen Wahn geschmeichelt –

NATHAN. Der war?

DERWISCH.   »Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern

Zumute sei ein Bettler habe nur

Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben.

Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt,

Zu rauh. Er gab so unhold, wenn er gab;

Erkundigte so ungestüm sich erst

Nach dem Empfänger; nie zufrieden, daß

Er nur den Mangel kenne, wollt' er auch

Des Mangels Ursach' wissen, um die Gabe

Nach dieser Ursach' filzig abzuwägen.

Das wird Al-Hafi nicht! So unmild mild

Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen!

Al-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht,

Die ihre klar und still empfangnen Wasser

So unrein und so sprudelnd wiedergeben.

Al-Hafi denkt; Al-Hafi fühlt wie ich!« –

So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis

Der Gimpel in dem Netze war. – Ich Geck!

Ich eines Gecken Geck!

NATHAN. Gemach, mein Derwisch,

Gemach!

DERWISCH.  Ei was! – Es wär' nicht Geckerei,

Bei Hunderttausenden die Menschen drücken,

Ausmergeln, plündern, martern, würgen, und

Ein Menschenfreund an einzeln scheinen wollen?

Es wär' nicht Geckerei, des Höchsten Milde,

Die sonder Auswahl über Bös' und Gute

Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein

Und Regen sich verbreitet, – nachzuäffen,

Und nicht des Höchsten immer volle Hand

Zu haben? Was? es wär' nicht Geckerei ...

NATHAN. Genug! hör auf!

DERWISCH.    Laßt meiner Geckerei

Mich doch nur auch erwähnen! – Was? es wäre

Nicht Geckerei, an solchen Geckereien

Die gute Seite dennoch auszuspüren,

Um Anteil, dieser guten Seite wegen,

An dieser Geckerei zu nehmen? He?

Das nicht?

NATHAN. Al-Hafi, mache, daß du bald

In deine Wüste wieder kömmst. Ich fürchte,

Grad unter Menschen möchtest du ein Mensch

Zu sein verlernen.

DERWISCH.  Recht, das fürcht ich auch.

Lebt wohl!

NATHAN.    So hastig? – Warte doch, Al-Hafi.

Entläuft dir denn die Wüste? – Warte doch! –

Daß er mich hörte! – He, Al-Hafi! hier! –

Weg ist er; und ich hätt' ihn noch so gern

Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich,

Daß er ihn kennt.

Vierter Auftritt

 

Daja eilig herbei. Nathan.

 

DAJA.  O Nathan, Nathan!

NATHAN. Nun?

Was gibt's?

DAJA.    Er läßt sich wieder sehn! Er läßt

Sich wieder sehn!

NATHAN. Wer, Daja? wer?

DAJA. Er! Er!

NATHAN.

Er? Er? – Wann läßt sich der nicht sehn! – Ja so,

Nur euer Er heißt er. – Das sollt' er nicht!

Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht!

DAJA. Er wandelt untern Palmen wieder auf

Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln.

NATHAN. Sie essend? – und als Tempelherr?

DAJA.  Was quält

Ihr mich? – Ihr gierig Aug' erriet ihn hinter

Den dicht

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