Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 39)

kann ja Goldfäden aus einem Batzenstrick machen.

Schweizer. Du hast wohl getan – was soll auch der Plunder in einer Kirche? Sie tragen’s dem Schöpfer zu, der über den Trödelkram lachet, und seine Geschöpfe dürfen verhungern. – Und du, Spangeler – wo hast du dein Netz ausgeworfen?

Ein Zweiter. Ich und Bügel haben einen Kaufladen geplündert und bringen Zeug für unser funfzig mit.

Ein Dritter. Zwei goldne Sackuhren habe ich weggebixt und ein Dutzend silberne Löffel darzu.

Schweizer. Gut, gut. Und wir haben ihnen eins angerichtet, dran sie vierzehn Tage werden zu löschen haben. Wenn sie dem Feuer wehren wollen, so müssen sie die Stadt durch Wasser ruinieren – Weißt du nicht, Schufterle, wieviel es Tote gesetzt hat?

Schufterle. Dreiundachtzig, sagt man. Der Turm allein hat ihrer sechzig zu Staub zerschmettert.

Räuber Moor (sehr ernst). Roller, du bist teuer bezahlt.

Schufterle. Pah! pah! was heißt aber das? – Ja, wenn’s Männer gewesen wären – aber da waren’s Wickelkinder, die ihre Laken vergolden, eingeschnurrte Mütterchen, die ihnen die Mücken wehrten, ausgedörrte Ofenhocker, die keine Türe mehr finden konnten – Patienten, die nach dem Doktor winselten, der in seinem gravitätischen Trab der Hatz nachgezogen war. – Was leichte Beine hatte, was ausgeflogen der Komödie nach, und nur der Bodensatz der Stadt blieb zurück, die Häuser zu hüten.

Moor. O der armen Gewürme! Kranke, sagst du, Greise und Kinder? –

Schufterle. Ja, zum Teufel! und Kindbetterinnen darzu, und hochschwangere Weiber, die befürchteten, unterm lichten Galgen zu abortieren; junge Frauen, die besorgten, sich an den Schindersstückchen zu versehen und ihrem Kind in Mutterleib den Galgen auf den Buckel zu brennen. – Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil sie ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgesindel mehr ist; es lohnt sich der Mühe nicht, daß man davon redt. Wie ich von ungefähr so an einer Baracke vorbeigehe, hör ich drinnen ein Gezeter, ich guck hinein, und wie ich’s beim Licht besehe, was war’s? Ein Kind war’s, noch frisch und gesund, das lag auf dem Boden unterm Tisch, und der Tisch wollte eben angehen, – Armes Tierchen! sagt ich, du verfrierst ja hier, und warf’s in die Flamme –

Moor. Wirklich, Schufterle? – Und diese Flamme brenne in deinem Busen, bis die Ewigkeit grau wird! – Fort, Ungeheuer! Laß dich nimmer unter meiner Bande sehen! Murrt ihr? – Überlegt ihr? – Wer überlegt, wann ich befehle? – Fort mit ihm, sag ich. – Es sind noch mehr unter euch, die meinem Grimm reif sind. Ich kenne dich, Spiegelberg. Aber ich will nächstens unter euch treten und fürchterlich Musterung halten. (Sie gehen zitternd ab.)

(Moor allein, heftig auf- und abgehend.)

Höre sie nicht, Rächer im Himmel! – Was kann ich dafür? Was kannst du dafür, wenn deine Pestilenz, deine Teurung, deine Wasserfluten den Gerechten mit dem Bösewicht auffressen? Wer kann der Flamme befehlen, daß sie nicht auch durch die gesegneten Saaten wüte, wenn sie das Genist der Hornissel zerstören soll? – O pfui über den Kindermord! den Weibermord! – den Krankenmord! Wie beugt mich diese Tat! Sie hat meine schönsten Werke vergiftet.

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