Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 53)

näher.) Sieh da, auch die Schwalbennester im Schloßhof – auch das Gartentürchen! – und diese Ecke am Zaun, wo du so oft den Fanger belauschtest und necktest – und dort unten das Wiesental, wo du, der Held Alexander, deine Mazedonier ins Treffen bei Arbela führtest, und nebendran der grasigste Hügel, von welchem du den persischen Satrapen niederwarfst – und deine siegende Fahne flatterte hoch! (Er lächelt.) Die goldne Maienjahre der Knabenzeit leben wieder auf in der Seele des Elenden. – Da warst du so glücklich, warst so ganz, so wolkenlos heiter – und nun – da liegen die Trümmer deiner Entwürfe! Hier solltest du wandeln dereinst, ein großer, stattlicher, gepriesener Mann – hier dein Knabenleben in Amalias blühenden Kindern zum zweiten Male leben – hier! hier der Abgott deines Volks – aber der böse Feind schmollte darzu! (Er fährt auf.) Warum bin ich hieher gekommen? daß mir’s ginge wie dem Gefangenen, den der klirrende Eisenring aus Träumen der Freiheit aufjagt? nein, ich gehe in mein Elend zurück! – Der Gefangene hatte das Licht vergessen; aber der Traum der Freiheit fuhr über ihn wie ein Blitz in die Nacht, der sie finsterer zurückläßt. – Lebt wohl, ihr Vaterlandstäler! einst saht ihr den Knaben Karl, und der Knabe Karl war ein glücklicher Knabe – itzt saht ihr den Mann, und er war in Verzweiflung. (Er dreht sich schnell nach dem äußersten Ende der Gegend, allwo er plötzlich stille steht und nach dem Schloß mit Wehmut herüberblickt.) Sie nicht sehen, nicht einen Blick? – und nur eine Mauer gewesen zwischen mir und Amalia – Nein! Sehen muß ich sie – muß ich ihn – es soll mich zermalmen! (Er kehrt um.) Vater! Vater! Dein Sohn naht – weg mit dir, schwarzes rauchendes Blut! weg, hohler, grasser, zuckender Todesblick! Nur diese Stunde laß mir frei – Amalia! Vater! Dein Karl naht! (Er geht schnell auf das Schloß zu.) – Quäle mich, wenn der Tag erwacht, laß nicht ab von mir, wenn die Nacht kommt – quäle mich in schrecklichen Träumen! nur vergifte mir diese einzige Wollust nicht. (Er steht an der Pforte.) Wie wird mir? Was ist das? Moor? Sei ein Mann! – – Todesschauer – – Schreckenahndung – – (Er geht hinein.)

Zweite Szene

Galerie im Schloß.

Räuber Moor, Amalia treten auf.

Amalia. Und getrauten Sie sich wohl, sein Bildnis unter diesen Gemälden zu erkennen?

Moor. O, ganz gewiß. Sein Bild war immer lebendig in mir. (An den Gemälden herumgehend.) Dieser ist’s nicht.

Amalia. Erraten! – Er war der Stammvater des gräflichen Hauses und erhielt den Adel von Barbarossa, dem er wider die Seeräuber diente.

Moor (immer an den Gemälden). Dieser ist’s auch nicht – auch der nicht – auch nicht jener dort – er ist nicht unter ihnen.

Amalia. Wie? sehen Sie doch besser! Ich dachte, Sie kennten ihn –

Amalia. Ich kenne meinen Vater nicht besser! Ihm fehlt der sanftmütige Zug um den Mund, der ihn aus Tausenden kenntlich machte – er ist’s nicht.

Amalia. Ich erstaune. Wie? Achtzehn Jahre nicht mehr gesehn, und noch –

Moor (schnell, mit

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