Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 54)

einer fliegenden Röte). Dieser ist’s! (Er steht wie vom Blitz gerührt.)

Amalia. Ein vortrefflicher Mann!

Moor (in seinen Anblick versunken). Vater, Vater! Vergib mir! – Ja, ein vortrefflicher Mann! – (Er wischt sich die Augen.) Ein göttlicher Mann!

Amalia. Sie scheinen viel Anteil an ihm zu nehmen.

Moor. O, ein vortrefflicher Mann – und er sollte dahin sein?

Amalia. Dahin! wie unsere besten Freuden dahingehn – (Sanft seine Hand ergreifend.) Lieber Herr Graf, es reift keine Seligkeit unter dem Monde.

Moor. Sehr wahr, sehr wahr – und sollten Sie schon diese traurige Erfahrung gemacht haben? Sie können nicht dreiundzwanzig Jahre alt sein.

Amalia. Und habe sie gemacht. Alles lebt, um traurig wieder zu sterben. Wir interessieren uns nur darum, wir gewinnen nur darum, daß wir wieder mit Schmerzen verlieren.

Moor. Sie verloren schon etwas?

Amalia. Nichts. Alles. Nichts – Wollen wir weitergehen, Herr Graf?

Moor. So eilig? Wes ist dies Bild rechter Hand dort? Mich deucht, es ist eine unglückliche Physiognomie.

Amalia. Dies Bild linker Hand ist der Sohn des Grafen, der wirkliche Herr – Kommen Sie, kommen Sie!

Moor. Aber dies Bild rechter Hand?

Amalia. Sie wollen nicht in den Garten gehn?

Moor. Aber dies Bild rechter Hand? – Du weinst, Amalia?

Amalia (schnell ab).

Moor. Sie liebt mich, sie liebt mich! – Ihr ganzes Wesen fing an, sich zu empören; verräterisch rollten die Tränen von ihren Wangen. Sie liebt mich! – Elender, das verdientest du um sie! Steh ich nicht hier wie ein Gerichteter vor dem tödlichen Block? Ist das der Sofa, wo ich an ihrem Halse in Wonne schwamm? Sind das die väterlichen Säle? (Ergriffen vom Anblick seines Vaters.) Du, du – Feuerflammen aus deinem Auge – Fluch, Fluch, Verwerfung! – Wo bin ich? Nacht vor meinen Augen – Schrecknisse Gottes – Ich, ich hab ihn getötet. (Er rennt davon.)

Franz von Moor, in tiefen Gedanken.

Franz. Weg mit diesem Bild! weg, feige Memme! Was zagst du und vor wem? Ist mir’s nicht die wenigen Stunden, die der Graf in diesen Mauern wandelt, als schlich immer ein Spion der Hölle meinen Fersen nach. – Ich sollt ihn kennen! Es ist so was Großes und Oftgesehenes in seinem wilden sonnverbrannten Gesicht, das mich beben macht. – Auch Amalia ist nicht gleichgültig gegen ihn! Läßt sie nicht so gierig schmachtende Blicke auf dem Kerl herumkreuzen, mit denen sie doch gegen alle Welt sonst so geizig tut? – Sah ich’s nicht, wie sie ein paar diebische Tränen in den Wein fallen ließ, den er hinter meinem Rücken so hastig in sich schlürfte, als wenn er das Glas mit hineinziehen wollte! Ja, das sah ich, durch den Spiegel sah ich’s mit diesen meinen Augen. Holla, Franz! siehe dich vor! Dahinter steckt irgendein verderbenschwangeres Ungeheuer!

(Er steht forschend dem Porträt Karls gegenüber.)

Sein langer Gänsehals – seine schwarzen, feuerwerfenden Augen, hm! hm! – sein finsteres, überhangendes, buschiges Augenbraun. (Plötzlich zusammenfahrend.) Schadenfrohe Hölle! jagst du mir diese Ahndung ein? Es ist Karl! Ja, itzt werden mir alle Züge wieder lebendig – Er ist’s! trutz seiner Larve! – Er ist’s – Tod und Verdammnis! (Auf und ab mit heftigen Schritten.) Hab ich

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