Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 55)

darum meine Nächte verpraßt – darum Felsen hinweggeräumt und Abgründe eben gemacht – bin ich darum gegen alle Instinkte der Menschheit rebellisch worden, daß mir zuletzt dieser unstete Landstreicher durch meine künstlichsten Wirbel tölple? – Sachte! Nur sachte! Es ist nur noch Spielarbeit übrig. – Bin ich doch ohnehin schon bis an die Ohren in Todsünden gewatet, daß es Unsinn wäre, zurückzuschwimmen, wenn das Ufer schon so weit hinten liegt. – Ans Umkehren ist doch nicht mehr zu gedenken. – Die Gnade selbst würde an den Bettelstab gebracht, und die unendliche Erbarmung bankerott werden, wenn sie für meine Schulden all gutsagen wollte. – Also vorwärts wie ein Mann! – (Er schellt.) – Er versammle sich zu dem Geiste seines Vaters und komme! Der Toten spott ich. – Daniel! he, Daniel! – Was gilt’s, den haben sie auch schon gegen mich aufgewiegelt! Er sieht so geheimnisvoll.

Daniel kommt.

Daniel. Was steht zu Befehl, mein Gebieter?

Franz. Nichts. Fort, fülle diesen Becher mit Wein, aber hurtig! (Daniel ab.)Wart, Alter! Dich will ich fangen, ins Auge will ich dich fassen, so starr, daß dein getroffenes Gewissen durch die Larve erblassen soll! – Er soll sterben! Der ist ein Stümper, der sein Werk nur auf die Hälfte bringt und dann weggeht und müßig zugafft, wie es weiter damit werden wird.

Daniel mit Wein.

Franz. Stell ihn hieher! Sieh mir fest ins Auge! Wie deine Knie schlottern! Wie du zitterst! Gesteh, Alter! Was hast du getan?

Daniel. Nichts, gnädiger Herr, so wahr Gott lebt und meine arme Seele!

Franz. Trink diesen Wein aus! – Was? Du zauderst? – Heraus, schnell! Was hast du in den Wein geworfen?

Daniel. Hilf Gott! Was? Ich – in den Wein?

Franz. Gift hast du in den Wein geworfen! Bist du nicht bleich wie Schnee? Gesteh, gesteh! Wer hat’s dir gegeben? Nicht wahr, der Graf, der Graf hat dir’s gegeben?

Daniel. Der Graf? Jesus Maria! Der Graf hat mir nichts gegeben.

FRANZ (greift ihn hart an). Ich will dich würgen, daß du blau wirst, eisgrauer Lügner du! Nichts? Und was staket ihr denn so beisammen? Er und du und Amalia? Und was flüstertet ihr immer zusammen? Heraus damit! Was für Geheimnisse, was für Geheimnisse hat er dir anvertraut?

DANIEL. Das weiß der allwissende Gott! Er hat mir keine Geheimnisse anvertraut.

FRANZ. Willst du es leugnen? Was für Kabalen habt ihr angezettelt, mich aus dem Weg zu räumen? Nicht wahr? Mich im Schlaf zu erdrosseln? Mir beim Bartscheren die Gurgel abzuschneiden? Mir im Wein oder im Schokolade zu vergeben? Heraus, heraus! – oder mir in der Suppe den ewigen Schlaf zu geben? Heraus damit! ich weiß alles.

DANIEL. So helfe mir Gott, wenn ich in Not bin, wie ich Euch itzt nichts anders sage als die reine, lautere Wahrheit!

FRANZ. Diesmal will ich dir verzeihen. Aber gelt, er steckte dir gewiß Geld in deinen Beutel? Er drückte dir die Hand stärker, als der Brauch ist? so ungefähr, wie man sie seinen alten Bekannten zu drücken pflegt?

DANIEL. Niemals, mein Gebieter.

FRANZ. Er sagte dir, zum Exempel, daß er dich etwa schon kenne? – daß du ihn

Seiten