Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 59)

im Schoß und rieft: hotto! und ich lief fort, Euch den Hottogaul zu holen – Jesus Gott! Warum mußt ich alter Esel auch fortlaufen? – und wie mir’s siedigheiß über den Buckel lief – wie ich das Zetergeschrei höre draußen im Öhrn, spring herein, und da lief das helle Blut, und laget am Boden und hattet – heilige Mutter Gottes! War mir’s nicht, als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken spritzte – aber so geht’s, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott, wenn’s ins Aug gegangen wäre – War’s darzu noch die rechte Hand. Mein Lebenstag, sagt ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder eine Schere oder so was Spitziges, sagt ich, in die Hände kriegen, sagt ich. – War zum Glück noch Herr und Frau verreiset – ja, ja, das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung sein, sagt ich – Jemini, jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte, Gott der Herr verzeih’s Euch, gottloses Kind – aber Gottlob! es heilte glücklich, bis auf die wüste Narbe.

MOOR. Ich begreife kein Wort von allem, was du sagst.

DANIEL. Ja gelt, gelt? Das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrot oder Biskuit oder Makrone ich Euch hab zugeschoben, hab Euch immer am gernsten gehabt, und wißt Ihr noch, was Ihr mir drunten sagtet im Stall, wie ich Euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen setzte, und Euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel! sagtet Ihr, laß mich nur einen großen Mann werden, Daniel! so sollst du mein Verwalter sein, und mit mir in der Kutsche fahren,– ja, sagt ich und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und Ihr Euch eines alten Mannes nicht schämen werdet, sagt ich, so will ich Euch bitten, mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil leer steht, und da wollt ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen, und wirtschaften in meinen alten Tagen. – Ja lacht nur, lacht nur! Gelt, junger Herr, das habt Ihr rein ausgeschwitzt? – den alten Mann will man nicht kennen, da tut man so fremd, so fürnehm – o, Ihr seid doch mein goldiger Junker – freilich halt ein bißchen lucker gewesen – nimmt mir’s nicht übel! – Wie’s eben das junge Fleisch meistens ist – am Ende kann noch alles gut werden.

MOOR (fällt ihm um den Hals). Ja! Daniel, ich wills nicht mehr verhehlen! Ich bin dein Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine Amalia?

DANIEL (fängt an zu weinen). Daß ich alter Sünder noch die Freude haben soll, und der Herr selig weinete umsonst! – Abe, abe, weißer Schädel! mürbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und Meister lebt, ihn haben meine Augen gesehen!

MOOR. Und will halten, was er versprochen hat – nimm das, ehrlicher Graukopf, für den Schweißfuchsen im Stall! (dringt ihm einen schweren Beutel auf) nicht vergessen hab ich den alten Mann.

DANIEL. Wie, was treibt Ihr? Zu viel! Ihr habt Euch vergriffen.

MOOR. Nicht vergriffen, Daniel! (Daniel will niederfallen.)

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