Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 65)

mir diesen aus den Augen! (Spiegelbergs Leiche wird hinweggetragen.)

GRIMM. Gib uns Order, Hauptmann – was sollen wir weiter tun?

MOOR. Bald – bald ist alles erfüllet. – Gebt mir meine Laute. – Ich habe mich selbst verloren, seit ich dort war – Meine Laute, sag ich – Ich muß mich zurücklullen in meine Kraft – Verlaßt mich!

RÄUBER. Es ist Mitternacht, Hauptmann.

MOOR. Doch waren’s nur die Tränen im Schauspielhaus – den Römergesang muß ich hören, daß mein schlafender Genius wieder aufwacht. – Meine Laute her – Mitternacht, sagt ihr?

SCHWARZ. Wohl bald vorüber. Wie Blei liegt der Schlaf in uns. Seit drei Tagen kein Auge zu.

MOOR. Sinkt denn der balsamische Schlaf auch auf die Augen der Schelme? Warum fliehet er mich? Ich bin nie ein Feiger gewesen oder ein schlechter Kerl. – Legt euch schlafen – Morgen am Tag gehen wir weiter.

RÄUBER. Gute Nacht, Hauptmann! (Sie lagern sich auf der Erde und schlafen ein.)

(Tiefe Stille.)

MOOR (nimmt die Laute und spielt).

Brutus.

Sei willkommen, friedliches Gefilde!

Nimm den letzten aller Römer auf!

Von Philippi, wo die Mordschlacht brüllte,

Schleicht mein gramgebeugter Lauf.

Cassius, wo bist du? – Rom verloren!

Hingewürgt mein brüderliches Heer!

Meine Zuflucht zu des Todes Toren!

Keine Welt für Brutus mehr!

 

Cäsar.

Wer mit Schritten eines Niebesiegten

Wandert dort vom Felsenhang? –

Ha! Wenn meine Augen mir nicht lügten,

Das ist eines Römers Gang. –

Tibersohn – von wannen deine Reise?

Dauert noch die Siebenhügelstadt?

Oft geweinet hab ich um die Waise,

Daß sie nimmer einen Cäsar hat.

 

Brutus.

Ha! Du mit der dreiundzwanzigfachen Wunde!

Wer rief, Toter, dich ans Licht?

Schaudre rückwärts, zu des Orkus Schlunde,

Stolzer Weiner! – Triumphiere nicht!

Auf Philippis eisernem Altare

Raucht der Freiheit letztes Opferblut;

Rom verröchelt über Brutus’ Bahre,

Brutus geht zu Minos. – Kreuch in deine Flut!

 

Cäsar.

O, ein Todesstoß von Brutus’ Schwerte!

Auch du – Brutus – Du?

Sohn – es war dein Vater – Sohn – die Erde

Wär gefallen dir als Erbe zu!

Geh – Du bist der größte Römer worden,

Da in Vaters Brust dein Eisen drang.

Geh – und heul es bis zu jenen Pforten:

Brutus ist der größte Römer worden,

Da in Vaters Brust sein Eisen drang.

Geh – Du weißt nun, was an Lethes Strande

Mich noch bannte –

Schwarzer Schiffer, stoß vom Lande!

 

Brutus.

Vater, halt! – Im ganzen Sonnenreiche

Hab ich einen nur gekannt,

Der dem großen Cäsar gleiche:

Diesen einen hast du Sohn genannt.

Nur ein Cäsar mochte Rom verderben,

Nur nicht Brutus mochte Cäsar stehn;

Wo ein Brutus lebt, muß Cäsar sterben.

Geh du linkswärts, laß mich rechtswärts gehn!

 

(Er legt die Laute hin, geht tiefdenkend auf und nieder.)

Wer mir Bürge wäre? – – Es ist alles so finster – verworrene Labyrinthe – kein Ausgang – kein leitendes Gestirn. – Wenn’s aus wäre mit diesem letzten Odemzug – Aus, wie ein schales Marionettenspiel. – Aber wofür der heiße Hunger nach Glückseligkeit? wofür das Ideal einer unerreichten Vollkommenheit? das Hinausschieben unvollendeter Plane? – wenn der armselige

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