Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 68)

schmacht ich schon in diesem finstern unterirdischen Gewölbe, von keinem Strahle beschienen, von keinem warmen Lüftchen angeweht, von keinem Freunde besucht, wo wilde Raben krächzen, und mitternächtliche Uhus heulen –

MOOR. Himmel und Erde! Wer hat das getan?

DER ALTE MOOR Verfluch ihn nicht! – Das hat mein Sohn Franz getan.

MOOR. Franz? Franz? – O ewiges Chaos!

DER ALTE MOOR. Wenn du ein Mensch bist und ein menschliches Herz hast, Erlöser, den ich nicht kenne, o, so höre den Jammer eines Vaters, den ihm seine Söhne bereitet haben. – Drei Monde schon hab ich’s tauben Felsenwänden zugewinselt; aber ein hohler Widerhall äffte meine Klage nur nach. Darum, wenn du ein Mensch bist und ein menschliches Herz hast –

MOOR. Diese Aufforderung könnte die wilden Bestien aus ihren Löchern hervorrufen!

DER ALTE MOOR. Ich lag eben auf dem Siechbett, hatte kaum angefangen, aus einer schweren Krankheit etwas Kräfte zu sammeln, so führte man einen Mann zu mir, der vorgab, mein Erstgeborener sei gestorben in der Schlacht, und mit sich brachte ein Schwert, gefärbt mit seinem Blut, und sein letztes Lebewohl, und daß ihn mein Fluch gejagt hätte in Kampf und Tod und Verzweiflung.

MOOR (heftig, von ihm abgewandt). Es ist offenbar!

DER ALTE MOOR. Höre weiter! Ich ward unmächtig bei der Botschaft. Man muß mich für tot geahlten haben; denn als ich wieder zu mir selber kam, lag ich schon in der Bahre und ins Leichentuch gewickelt wie ein Toter. Ich kratzte an dem Deckel der Bahre. Er ward aufgetan. Es war finstere Nacht, mein Sohn Franz stand vor mir. – Was? rief er mit entsetzlicher Stimme, willst du dann ewig leben? – und gleich flog der Sargdeckel wieder zu. Der Donner dieser Worte hatte mich meiner Sinne beraubt; als ich wieder erwachte, fühlt ich den Sarg erhoben und fortgeführt in einem Wagen eine halbe Stunde lang. Endlich ward er geöffnet – ich stand am Eingange dieses Gewölbes, mein Sohn vor mir und der Mann, der mir das blutige Schwert von Karln gebracht hatte. – Zehnmal umfaßt ich seine Knie und bat und flehte und umfaßte sie und beschwur – das Flehen seines Vaters reichte nicht an sein Herz. – Hinab mit dem Balg! donnerte es von seinem Munde, er hat genug gelebt! – und hinab ward ich gestoßen ohn Erbarmen, und mein Sohn Franz schloß hinter mir zu.

MOOR. Es ist nicht möglich, nicht möglich! Ihr müßt Euch geirrt haben.

DER ALTE MOOR. Ich kann nicht geirrt haben. Höre weiter, aber zürne doch nicht! So lag ich zwanzig Stunden und kein Mensch gedachte meiner Not. Auch hat keines Menschen Fußtritt je diese Einöde betreten; denn die allgemeine Sage geht, daß die Gespenster meiner Väter in diesen Ruinen rasselnde Ketten schleifen und in mitternächtlicher Stunde ihr Totenlied raunen. Endlich hört ich die Tür wieder aufgehen; dieser Mann brachte mir Brot und Wasser und entdeckte mir, wie ich zum Tod des Hungers verurteilt gewesen, und wie er sein Leben in Gefahr setze, wenn es herauskäme, daß er mich speise. So ward ich kümmerlich erhalten diese lange Zeit, aber der unaufhörliche Frost

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