Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 71)

– Leer kam ich hieher – leer zieh ich wieder hin – aber meine Seele ist gerettet.

Wie er gehen will, kömmt Franz im Schlafrock hereingestürzt.

DANIEL. Gott steh mir bei! Mein Herr! (Löscht die Laterne aus.)

FRANZ. Verraten! Verraten! Geister ausgespien aus Gräbern – Losgerüttelt das Totenreich aus dem ewigen Schlaf brüllt wider mich: Mörder! Mörder! – Wer regt sich da?

DANIEL (ängstlich). Hilf, heilige Mutter Gottes! Seid ihr’s, gestrenger Herre, der so gräßlich durch die Gewölbe schreit, daß alle Schläfer auffahren?

FRANZ. Schläfer? Wer heißt euch schlafen? Fort, zünde Licht an!

Daniel ab, es kommt ein andrer Bedienter.

Es soll niemand schlafen in dieser Stunde. Hörst du? Alles soll auf sein – in Waffen – alle Gewehre geladen. – Sahst du sie dort den Bogengang hinschweben?

BEDIENTER. Wen, gnädiger Herr?

FRANZ. Wen, Dummkopf, wen? So kalt, so leer fragst du, wen? hat mich’s doch angepackt, wie der Schwindel! Wen, Eselskopf! wen? Geister und Teufel! Wie weit ist’s in der Nacht?

BEDIENTER. Eben itzt ruft der Nachtwächter zwei an.

FRANZ. Was? will diese Nacht währen bis an den Jüngsten Tag? Hörtest du keinen Tumult in der Nähe? kein Siegsgeschrei? kein Geräusch galoppierender Pferde? Wo ist Kar – der Graf, will ich sagen?

BEDIENTER. Ich weiß nicht, mein Gebieter!

FRANZ. Du weißt’s nicht? Du bist auch unter der Rotte? Ich will dir das Herz aus den Rippen stampfen! mit deinem verfluchten: ich weiß nicht! Fort, hole den Pastor!

BEDIENTER. Gnädiger Herr!

FRANZ. Murrst du? zögerst du? (Erster Bedienter eilend ab.) Was? auch Bettler wider mich verschworen? Himmel, Hölle! Alles wider mich verschworen?

DANIEL (kommt mit dem Licht). Mein Gebieter –

FRANZ. Nein, ich zittere nicht! Es war ledig ein Traum. Die Toten stehen noch nicht auf – Wer sagt, daß ich zittere und bleich bin? Es ist mir ja so leicht, so wohl.

DANIEL. Ihr seid totenbleich, Eure Stimme ist bang und lallet.

FRANZ. Ich habe das Fieber. Sage du nur, wenn der Pastor kommt, ich habe das Fieber. Ich will morgen zur Ader lassen, sage dem Pastor.

DANIEL. Befehlt Ihr, daß ich Euch Lebensbalsam auf Zucker tröpfle?

FRANZ. Tröpfle mir auf Zucker! der Pastor wird nicht sogleich da sein. Meine Stimme ist bang und lallet, gib Lebensbalsam auf Zucker!

DANIEL. Gebt mir erst die Schlüssel, ich will drunten holen im Schrank –

FRANZ. Nein, nein, nein! Bleib! oder ich will mit dir gehn. Du siehst, ich kann nicht allein sein! wie leicht könnt ich, du siehst ja – unmächtig – wenn ich allein bin. Laß nur, laß nur! Es wird vorübergehen, du bleibst.

DANIEL. O, Ihr seid ernstlich krank.

FRANZ. Ja freilich, freilich! das ist’s alles. – Und Krankheit verstöret das Gehirn und brütet tolle und wunderliche Träume aus. – Träume bedeuten nichts – Nicht wahr, Daniel? Träume kommen ja aus dem Bauch, und Träume bedeuten nichts – ich hatte soeben einen lustigen Traum. (Er sinkt unmächtig nieder.)

DANIEL. Jesus Christus? was ist das? Georg! Konrad! Bastian! Martin! So gebt doch nur eine Urkund von euch! (Rüttelt ihn.) Maria, Magdalena und Joseph! So nimmt doch nur Vernunft an! So wird’s heißen, ich hab ihn tot gemacht! Gott erbarme sich meiner!

FRANZ (verwirrt). Weg –

Seiten