Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 73)

Berges, und mein innerstes Mark gefror in mir, und meine Zähne klapperten laut. Schnell begonn die Waage zu klingen, zu donnern der Fels, und die Stunden zogen vorüber, eine nach der andern an der links hangenden Schale, und eine nach der andern warf eine Todsünde hinein –

DANIEL. O, Gott vergeb Euch!

FRANZ. Das tat er nicht! – Die Schale wuchs zu einem Gebirge, aber die andere, voll vom Blut der Versöhnung, hielt sie noch immer hoch in den Lüften – zuletzt kam ein alter Mann, schwer gebeuget von Gram, angebissen den Arm von wütendem Hunger, aller Augen wandten sich scheu vor dem Mann; ich kannte den Mann, er schnitt eine Locke von seinem silbernen Haupthaar, warf sie hinein in die Schale der Sünden, und siehe, sie sank, sank plötzlich zum Abgrund, und die Schale der Versöhnung flatterte hoch auf! – Da hört ich eine Stimme schallen aus dem Rauche des Felsen: Gnade, Gnade jedem Sünder der Erde und des Abgrunds! Du allein bist verworfen! – (Tiefe Pause.) Nun, warum lachst du nicht?

DANIEL. Kann ich lachen, wenn mir die Haut schaudert? Träume kommen von Gott.

FRANZ. Pfui doch, pfui doch! Sage das nicht! Heiß mich einen Narren, einen aberwitzigen, abgeschmackten Narren! Tu das, lieber Daniel, ich bitte dich drum, spotte mich tüchtig aus!

DANIEL. Träume kommen von Gott. Ich will für Euch beten.

FRANZ. Du lügst, sag ich – geh den Augenblick, lauf, spring, sieh, wo der Pastor bleibt, heiß ihn eilen, eilen! Aber ich sage dir, du lügst.

DANIEL (im Abgehen). Gott sei Euch gnädig!

FRANZ. Pöbelweisheit, Pöbelfurcht! – Es ist ja noch nicht ausgemacht, ob das Vergangene nicht vergangen ist oder ein Auge findet über den Sternen. – Hum, hum! wer raunte mir das ein? Rächet denn droben über den Sternen einer? – Nein, nein! Ja, ja! Fürchterlich zischelt’s um mich: Richtet droben einer über den Sternen! Entgegengehen dem Rächer über den Sternen diese Nacht noch! Nein! sag ich. – Elender Schlupfwinkel, hinter den sich deine Feigheit verstecken will – öd, einsam, taub ist’s droben über den Sternen. – Wenn’s aber doch etwas mehr wäre? Nein, Nein, es ist nicht! Ich befehle, es ist nicht! Wenn’s aber doch wäre? Weh dir, wenn’s nachgezählt worden wäre! wenn’s dir vorgezählt würde diese Nacht noch! – Warum schaudert mir so durch die Knochen? – Sterben! warum packt mich das Wort so? Rechenschaft geben dem Rächer droben über den Sternen – und wenn er gerecht ist, Waisen und Witwen, Unterdrückte, Geplagte heulen zu ihm auf – und wenn er gerecht ist? – warum haben sie gelitten? warum hast du über sie triumphiert? –

Pastor Moser tritt auf.

MOSER. Ihr ließt mich holen, gnädiger Herr! Ich erstaune. Das erstemal in meinem Leben! Habt Ihr im Sinn, über die Religion zu spotten, oder fangt Ihr an, vor ihr zu zittern?

FRANZ. Spotten oder zittern, je nachdem du mir antwortest. – Höre, Moser, ich will dir zeigen, daß du ein Narr bist, oder die Welt für’n Narren halten willst, und du sollst mir antworten. Hörst du? Auf dein Leben sollst du mir antworten.

MOSER. Ihr

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