Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 39)

Feinde stürzt, wie Wetters Strahl,

Und brecht den Bau der Tyrannei zusammen.

Gehen ab.

Dritte Szene

 

Die hohle Gasse bei Küßnacht. Man steigt von hinten zwischen Felsen

herunter und die Wanderer werden, ehe sie auf der Szene erscheinen,

schon von der Höhe gesehen. Felsen umschließen die ganze Szene,

auf einem der vordersten ist ein Vorsprung mit Gesträuch bewachsen.

 

TELL tritt auf mit der Armbrust:

Durch diese hohle Gasse muß er kommen,

Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht – Hier

Vollend ich's – Die Gelegenheit ist günstig.

Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm,

Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen,

Des Weges Enge wehret den Verfolgern.

Mach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt,

Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen.

Ich lebte still und harmlos – Das Geschoß

War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,

Meine Gedanken waren rein von Mord –

Du hast aus meinem Frieden mich heraus

Geschreckt, in gärend Drachengift hast du

Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,

Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt –

Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,

Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.

Die armen Kindlein, die unschuldigen,

Das treue Weib muß ich vor deiner Wut

Beschützen, Landvogt – Da, als ich den Bogenstrang

Anzog – als mir die Hand erzitterte –

Als du mit grausam teufelischer Lust

Mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegen –

Als ich ohnmächtig flehend rang vor dir,

Damals gelobt ich mir in meinem Innern

Mit furchtbarm Eidschwur, den nur Gott gehört,

Daß meines nächsten Schusses erstes Ziel

Dein Herz sein sollte – Was ich mir gelobt

In jenes Augenblickes Höllenqualen,

Ist eine heil'ge Schuld, ich will sie zahlen.

Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt,

Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt

Was du – Er sandte dich in diese Lande,

Um Recht zu sprechen – strenges, denn er zürnet –

Doch nicht um mit der mörderischen Lust

Dich jedes Greuels straflos zu erfrechen,

Es lebt ein Gott zu strafen und zu rächen.

Komm du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen,

Mein teures Kleinod jetzt, mein höchster Schatz –

Ein Ziel will ich dir geben, das bis jetzt

Der frommen Bitte undurchdringlich war –

Doch dir soll es nicht widerstehn – Und du

Vertraute Bogensehne, die so oft

Mir treu gedient hat in der Freude Spielen,

Verlaß mich nicht im fürchterlichen Ernst.

Nur jetzt noch halte fest du treuer Strang,

Der mir so oft den herben Pfeil beflügelt –

Entränn er jetzo kraftlos meinen Händen,

Ich habe keinen zweiten zu versenden.

Wanderer gehen über die Szene.

Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen,

Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet –

Denn hier ist keine Heimat – Jeder treibt

Sich an dem andern rasch und fremd vorüber,

Und fraget nicht nach seinem Schmerz – Hier geht

Der sorgenvolle Kaufmann und der leicht

Geschürzte Pilger – der andächt'ge Mönch,

Der düstre Räuber und der heitre Spielmann,

Der Säumer mit dem schwer beladnen Roß,

Der ferne herkommt von der Menschen Ländern,

Denn jede Straße führt ans End der Welt.

Sie alle ziehen ihres Weges fort

An ihr Geschäft – und meines ist der Mord!

Setzt sich.

Sonst wenn der Vater auszog, liebe Kinder,

Da war ein Freuen, wenn er wiederkam,

Denn niemals kehrt' er heim, er bracht euch etwas,

War's eine schöne Alpenblume, war's

Ein seltner Vogel oder Ammonshorn,

Wie es der Wandrer findet auf den

Seiten