Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 41)
mir nicht aus, er muß mich hören.
FRIESSHARDT kommt eilfertig den Hohlweg herab,
und ruft in die Szene:
Man fahre aus dem Weg – Mein gnäd'ger Herr
Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.
Tell geht ab.
ARMGARD lebhaft:
Der Landvogt kommt!
Sie geht mit ihren Kindern nach der vordern Szene. Geßler
und Rudolf der Harras zeigen sich zu Pferd auf der Höhe des Wegs.
STÜSSI zum Frießhardt:
Wie kamt ihr durch das Wasser,
Da doch der Strom die Brücken fortgeführt?
FRIESSHARDT:
Wir haben mit dem See gefochten, Freund,
Und fürchten uns vor keinem Alpenwasser.
STÜSSI: Ihr wart zu Schiff in dem gewalt'gen Sturm?
FRIESSHARDT:
Das waren wir. Mein Lebtag denk ich dran –
STÜSSI: O bleibt, erzählt!
FRIESSHARDT: Laßt mich, ich muß voraus,
Den Landvogt muß ich in der Burg verkünden. Ab.
STÜSSI: Wärn gute Leute auf dem Schiff gewesen,
In Grund gesunken wär's mit Mann und Maus,
Dem Volk kann weder Wasser bei noch Feuer.
Er sieht sich um.
Wo kam der Weidmann hin, mit dem ich sprach?
Geht ab.
Geßler und Rudolf der Harras zu Pferd.
GESSLER: Sagt was Ihr wollt, ich bin des Kaisers Diener
Und muß drauf denken, wie ich ihm gefalle.
Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk
Zu schmeicheln und ihm sanft zu tun – Gehorsam
Erwartet er, der Streit ist, ob der Bauer
Soll Herr sein in dem Lande oder der Kaiser.
ARMGARD: Jetzt ist der Augenblick! Jetzt bring ich's an!
Nähert sich furchtsam.
GESSLER: Ich hab den Hut nicht aufgesteckt zu Altorf
Des Scherzes wegen, oder um die Herzen
Des Volks zu prüfen, diese kenn ich längst.
Ich hab ihn aufgesteckt, daß sie den Nacken
Mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen –
Das Unbequeme hab ich hingepflanzt
Auf ihren Weg, wo sie vorbeigehn müssen,
Daß sie drauf stoßen mit dem Aug, und sich
Erinnern ihres Herrn, den sie vergessen.
RUDOLF DER HARRAS: Das Volk hat aber doch gewisse Rechte –
GESSLER: Die abzuwägen ist jetzt keine Zeit!
– Weitschicht'ge Dinge sind im Werk und Werden,
Das Kaiserhaus will wachsen, was der Vater
Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.
Dies kleine Volk ist uns ein Stein im Weg –
So oder so – Es muß sich unterwerfen.
Sie wollen vorüber. Die Frau wirft sich vor dem Landvogt nieder.
ARMGARD:
Barmherzigkeit, Herr Landvogt! Gnade! Gnade!
GESSLER: Was dringt Ihr Euch auf offner Straße mir
In Weg – Zurück!
ARMGARD: Mein Mann liegt im Gefängnis,
Die armen Waisen schrein nach Brot – Habt Mitleid
Gestrenger Herr, mit unserm großen Elend.
RUDOLF DER HARRAS:
Wer seid Ihr? Wer ist Euer Mann?
ARMGARD: Ein armer
Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge,
Der überm Abgrund weg das freie Gras
Abmähet von den schroffen Felsenwänden,
Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen –
RUDOLF DER HARRAS zum Landvogt:
Bei Gott, ein elend und erbärmlich Leben!
Ich bitt Euch, gebt ihn los den armen Mann,
Was er auch Schweres mag verschuldet haben,
Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk.
Zu der Frau:
Euch soll Recht werden – Drinnen auf der Burg
Nennt Eure Bitte – Hier ist nicht der Ort.
ARMGARD:
Nein, nein, ich weiche nicht von diesem Platz,
Bis mir der Vogt den Mann zurückgegeben!
Schon in den sechsten Mond liegt er im Turm,
Und harret auf den Richterspruch vergebens.
GESSLER: Weib, wollt Ihr mir Gewalt antun, hinweg.
ARMGARD:
Gerechtigkeit, Landvogt! Du bist der Richter
Im Lande an des Kaisers Statt und Gottes.
Tu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit
Vom Himmel hoffest,